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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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seine Brille ab und setzte sie wieder auf.
    »Nein, ist es nicht«, sagte Dane. »Ich bin kein Streikbrecher. Ich hatte keine Zeit ...« Er sackte auf seinem Sitz zusammen. »Na schön. Das allein war es nicht. Ich war besorgt, die Gewerkschaft würde nein sagen, wenn ich um Freistellung bitte. Womöglich würden sie die Sache nicht für ernst genug halten. Aber ich konnte nicht anders. Ich brauchte mehr Augen und etwas, das schnell seinen Standort wechseln kann. Und Sie sollten froh sein, dass ich so gehandelt habe, denn anderenfalls hätte man Sie in Tattoos Werkstatt gebracht.
    Das Schräge ist, dass ich nie Vertraute einsetze.« Er schüttelte wiederholt den Kopf. »Das war einfach nur beschissenes Pech. Mieses Timing.«
    Wati bewegte sich mit übersinnlichen Sprüngen von Statue zu Statue, Figur zu Figurine und war in jeder davon für einen Moment bewusst zugegen. Gerade lange genug, um durch die steinernen Augen eines Reiters in einem Park zu blicken; durch die hölzernen Augen eines Jesus vor einer Kirche; die Plastikaugen einer ausrangierten Schaufensterpuppe; lange genug, sich zu orientieren, die Grenzen seiner Reichweite zu spüren, Meter zu zählen, jede mögliche Statue in erreichbarem Abstand kurz in Betracht zu ziehen und die zu wählen, die seinen Kriterien am besten entsprach, um sein Denkzentrum in den nächsten von Menschenhand geschaffenen Kopf zu transferieren.
    Er traf Dane und Billy in dem Café in einer Nebenstraße nahe Holborn, wo seit Jahren die Gipspuppe eines fetten Kochs gleich neben einem Außentisch die Finger zu einem »O« formte, was so viel bedeuten sollte wie »deliziös«. Hier konnte Wati also, wenn Dane und Billy sich der Kälte stellen und sich über ihrem Kaffee zusammenkauern wollten, im Inneren der Figur dicht genug bei ihnen sein, um sich mit ihnen zu unterhalten. Und sie kauerten sich gegen die Kälte zusammen und um sich vor der Gefahr zu schützen, gesehen zu werden. Dane schaute sich wiederholt in der Umgebung um.
    »Wie ich schon sagte, Dane, du hast besser eine gute Ausrede für mich«, sagte der Wati-Koch mit einem reglosen, zu einem Lächeln geöffneten Mund. Der Akzent war immer noch da - Cockney, gepaart mit dem Neuen Reich? -, aber die Stimme klang jetzt erstickt und irgendwie gehemmt.
    »Wati, das ist Billy«, erwiderte Dane. Billy begrüßte die Statue. Er begrüßte eine Statue und verbarg seine Scheu. »Um ihn geht es bei alldem.« Dane räusperte sich. »Du kannst es doch fühlen, oder, Wati? Der Himmel, die Luft, all dieser Mist. Die Geschichte funktioniert nicht. Etwas kommt auf uns zu. Darum geht es. Ich wette, du kannst es fühlen. Zwischen den Statuen.«
    Vorübergehend trat Stille ein. »Vielleicht«, sagte Wati dann. War das, was er zu fühlten glaubte, eine Windböe, überlegte Billy. Eine Dislokation? Irgendeine Vorahnung in diesem interplastischen Nichtraum? »Vielleicht.«
    »Gut. In Ordnung. Du hast gehört ... dass der Krake gestohlen wurde?«
    »Natürlich habe ich. Die Engel können gar nicht aufhören, darüber zu schwatzen. Ich war sogar im Museum«, sagte Wati. Dort gab es keinen Mangel an Körpern für ihn. Er konnte in einem Wirbelwind an Verkörperungen durch die Halle sausen, konnte von einem steinernen Tier zum nächsten hüpfen. »Der Phylax schreit in den Gängen. Er marschiert, wisst ihr. Er sucht etwas, er verfolgt eine Spur. Bei Nacht kann man ihn hören.«
    »Was ist das?«, fragte Billy.
    »Die Engel der Erinnerung«, sagte Dane.
    »Was sind ...?«, setzte Billy an, verstummte aber, als Dane den Kopf schüttelte. Na gut, dachte er. Dann eben später.
    »Das ist alles furchtbar verkorkst«, sagte Wati.
    »Das ist es«, stimmte Dane zu. »Wir müssen den Kraken finden, Wati. Niemand weiß, wer ihn genommen hat. Ich dachte, es wäre das Tattoo gewesen, aber dann ... Er hat Billy entführt und wollte ihn umbringen. Und so, wie er geredet hat ... Die meisten Leute denken, wir würden dahinterstecken.« Er legte eine kurze Pause ein. »Die Kirche. Aber wir waren es nicht. Und der Rest der Gemeinde sucht nicht einmal nach ihm. Aber als der Kraken verschwunden ist, hat das Ding, das unter allem ruht, angefangen, sich zu erheben.«
    »Reden wir über Streikbrecherei, Dane«, sagte Wati. »Muss ich mit deinem Teuthex über diese Sache reden?«
    »Nein!«, brüllte Dane. Leute schauten sich um. Er sackte zusammen und sprach leise weiter. »Das kannst du nicht tun. Du kannst ihnen nicht sagen, wo ich bin. Ich bin draußen, Wati.« Er

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