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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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konnte er deutlich verstehen, was drinnen gesprochen wurde.
    „Lukas, ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass es absolut kein Problem für Sie wäre, ein Informatikstudium nicht nur aufzunehmen, sondern auch erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Das wissen Sie.“
    Das war die dunklere Stimme, die vermutlich dem Therapeuten gehörte. Nun folgte die hellere, deutlich jünger klingende.
    „Inhaltlich. Ja, natürlich. Ich bezweifle sowieso, dass die mir noch allzu viel beibringen können …“
    „Nein. Ich habe nicht nur inhaltlich gemeint. Ich bin überzeugt davon, dass auch Ihre sozialen und kommunikativen Ressourcen absolut ausreichend sind. Und ich denke, dass Sie dort Ihre zweifellos bereits jetzt vorhandenen Fachkenntnisse auf jeden Fall noch vertiefen könnten. Vielleicht sollten Sie es auf einen Versuch ankommen lassen.“
    „Ich denk drüber nach. Aber vor dem nächsten Wintersemester bestimmt nicht, denn vorher muss ich diese Sache zu Ende bringen.“
    „Sie sprechen von dem Programm, an dem Sie arbeiten? Da es Sie so in Anspruch nimmt, und zwar seit geraumer Zeit und in erheblichem Umfang, muss ich zugeben, dass ich gerne etwas mehr darüber erfahren würde.“
    Eine längere Pause entstand, und Thomas Lamprecht, den das Gespräch zu langweilen begann, wandte sich ab. Gerade wollte er im Wartezimmer Platz nehmen, um sich mit seinen eigenen Problemen zu befassen, die nicht nur gravierender, sondern auch interessanter zu sein schienen, da wurde weitergesprochen, und aus irgendeinem Grund näherte er sich noch einmal dem Türspalt.
    „Zum Beispiel?“ Das war wieder die helle Stimme.
    „Zum Beispiel, welchen Zweck dieses – wie sagten Sie noch gleich –
Quine
erfüllt. Was genau ist das eigentlich? Und hat es auch einen materiellen Wert?“
    „Geld korrumpiert die Menschen.“
    „Diese Sichtweise ehrt Sie, aber die Absicherung der materiellen Existenz ist nun mal leider eine Notwendigkeit.“
    Wieder entstand eine Pause, dann sprach der Therapeut weiter.
    „Was haben Sie zu verlieren, wenn Sie mir davon erzählen? Ich verstehe nichts von diesen Dingen und bin von Berufs wegen zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Außerdem wissen Sie, dass ich niemals etwas tun würde, das Ihnen in irgendeiner Weise schaden könnte.“
    Erneut war es minutenlang still, doch nun war Lamprechts Neugier geweckt.
    „Wissen Sie das?“, hakte der Therapeut nach.
    Die Antwort kam langsam und zögernd, doch sie ließ Thomas Lamprecht erneut aufhorchen.
    „Ich denke, dass der materielle Wert zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht zu ermessen ist, und wenn ich jemals damit auf den Markt ginge, bräuchte ich an meine materielle Existenz wahrscheinlich nie wieder einen Gedanken zu verschwenden – aber das ist es nicht, worum es mir dabei geht.“
    „Das ist mir klar.“
    Lamprecht stand zur Salzsäule erstarrt vor dem Türspalt und wagte kaum zu atmen, bis endlich, nach einer Ewigkeit, weitergesprochen wurde.
    Es war die helle Stimme, sie war leiser als zuvor, doch noch immer zu verstehen.
    „Okay …
Willard Van Orman Quine
war ein amerikanischer Philosoph und Logiker. Der Programmtyp, der nach ihm benannt wurde, ist autoreferenziell, also selbstbezüglich oder selbst reproduzierend … Die Fragestellung ist zugleich so einfach und so kompliziert, dass sich die Wissenschaft darüber die Köpfe einschlägt, seit der erste Rechner eine 0 und eine 1 unterscheiden kann …“
    „Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen jetzt folgen kann.“
    „Hofstadter war meiner Ansicht nach bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf einer ganz heißen Spur, auch wenn der Mainstream der heutigen Fachwelt seine Ansichten für überholt hält.“
    „Sie meinen Douglas R. Hofstadter, den Autor von
Gödel, Escher, Bach
?“
    „Haben Sie’s gelesen?“
    „Offen gestanden nicht.“
    „Er beschäftigte sich mit sogenannten
seltsamen Schleifen
, einer besonderen Form von Paradoxie, auf die man in vielen verschiedenen Bereichen stößt. In der Mathematik zum Beispiel, in der Musik von Bach, den Bildern von Escher … und auch in der Informatik, eben bei den Quines. Diese Schleifen sind der Ausgangspunkt für eine höhere Ebene von Komplexität. Ich denke, dass die Kognitionswissenschaft in einem ganz bestimmten Punkt irrt und man sich daher früher oder später auf Hofstadters Thesen zurückbesinnen wird.“
    „Sind wir nun bei der Kognitionswissenschaft oder bei der Informatik?“
    „Das ist der Punkt, an dem beide

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