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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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versteckten Portale natürlich auch. Du musst dir das ungefähr so vorstellen wie beim Goldwaschen. Ich hab da neulich eine Geschichte von einem Typen gehört, der macht nichts anderes, als mit seinem kleinen Sieb sämtliche deutschen Bäche rauf- und runterzureisen.“
    Emmerich blickte seinen Kollegen zweifelnd an.
    „Der Typ ist inzwischen Millionär. Eine wahre Geschichte.“
    „Selbst wenn du was Interessantes finden würdest – denkst du, die warten nur auf Avaleet?“
    „Wir werden ihnen ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können.“
    „Wer steckt da sonst noch mit drin?“
    „Nur ein kleiner, handverlesener Kreis.“
    „Geht’s etwas genauer?“
    „Geiger von Karlsruhe, Koch und Schlüter von Heilbronn und Abramovic aus deiner Abteilung.“
    Emmerich verschluckte sich und hustete. „Ab… Abramovic?“, echote er ungläubig. In Sekundenbruchteilen war sein Vertrauen in die Menschheit irreparabel erschüttert worden. Wenn sich ein derart harmloser und netter junger Kollege auf diese dubiose Geschichte einließ, konnte man buchstäblich niemandem mehr über den Weg trauen!
    „Auch junge Familienväter brauchen Geld“, fügte Pross fast entschuldigend hinzu. „Also, was ist nun – kann ich auf dich zählen?“
    Nach kurzem Zögern nickte Karl-Heinz Emmerich. Thomas Lamprecht hatte sein Werkzeug aus dem Keller geholt und auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet. Sorgfältig musterte er jedes einzelne Stück, entfernte Rostflecken, putzte und polierte. Nina saß neben ihm, besah sich neugierig die verschieden großen Schraubenzieher, Gabel- und Ringschlüssel, Dietriche und Zangen, und malte mit dem Finger kleine Kreise in den Staub und Schmutz, der sich auf dem Tisch gesammelt hatte.
    Der Inhalt des schwarzen Nylonbeutels war lange nicht benutzt worden.
    Als Judith die Küchentür öffnete, strömte eine Wolke von Pommes frites und Schnitzelduft durch die Wohnung. Lamprecht war so intensiv mit seiner Tätigkeit beschäftigt, dass er seine Freundin nicht einmal wahrnahm. Beim Anblick des Wohnzimmertisches fiel ihr das Geschirrtuch aus der Hand.
    „Was um alles in der Welt …“, begann sie, dann brach sie ab und wandte sich ihrer Tochter zu. „Nina, geh sofort in dein Zimmer!“
    Nachdem die Kleine verschwunden war, begann Judith erneut: „Verdammt noch mal, was machst du da? Schau dir nur an, wie’s hier aussieht!“ Kopfschüttelnd hob sie das Geschirrtuch auf, ging wieder in die Küche und kam mit einem Lappen zurück.
    „Sag mal, hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als mir noch mehr Arbeit zu machen? Und was hast du mit dem Werkzeug vor?“
    Lamprecht hatte seine Arbeit beendet und packte alles wieder in den Beutel. Er war zufrieden. Es war noch alles da und jetzt wieder in hervorragendem Zustand. Er war bestens gerüstet.
    „Du liegst mir doch Tag und Nacht in den Ohren, dass ich endlich eine anständige Arbeit finden soll!“
    „Du willst mir doch nicht erzählen, dass du plötzlich unter die Handwerker gegangen bist? Für wie bescheuert hältst du mich eigentlich? Du bist wieder voll drauf, und du machst irgendeine Scheiße. Hat Barranquilla damit zu tun? Wenn schon nicht an mich, dann denk doch wenigstens an Nina!“
    Er sah ein, dass er die Strategie wechseln musste und gab seiner Freundin einen zärtlichen Kuss. „Bitte, Judith, vertrau mir. Nur dieses eine Mal noch. Ich hab dir versprochen, dass ich die Angelegenheit mit Barranquilla in Ordnung bringe, und genau das tue ich.“ Irritiert schnupperte er in die Luft. „Ich weiß nicht, aber ich finde, irgendwie riecht’s hier plötzlich verbrannt.“
    Mit einem Aufschrei stürzte Judith in die Küche zurück. „Verdammt noch mal – die Schnitzel!“
    Thomas Lamprecht sah auf die Uhr und entschied, dass es bereits zu spät war. Im Dunkeln war es definitiv zu gefährlich. Außerdem fiel ein Einbrecher – das wusste er aus Erfahrung – am helllichten Tag bedeutend weniger auf. Ein Hauch von Erleichterung mischte sich in seine Ungeduld, angesichts der Tatsache, dass er sein Vorhaben noch einmal um einen Tag aufschieben musste. Gleichzeitig meldeten sich leise, doch hartnäckige Bedenken. Was für einen Irrsinn hatte er sich da eigentlich in den Kopf gesetzt? War das Ganze vielleicht nur ein Hirngespinst? Was wusste er schon über dieses angeblich so bahnbrechende Programm? Und selbst wenn er es hätte, was würde er eigentlich damit anfangen? Wie fand man einen Käufer für so was? Wäre es nicht besser, wieder bei

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