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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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Barranquilla einzusteigen und immer genug Kleingeld und Stoff auf der Seite zu haben? Rasch wischte er die Bedenken beiseite. Er war zu alt, um weiterhin den Laufburschen zu spielen. Und er war zu alt, um sich für den Rest seines Lebens von einer faulen Kapitalistensau ausbeuten zu lassen. Und er war zu alt, um weiterhin Tag und Nacht Angst zu haben, dass sie ihn wieder einbuchten würden. Es gab nur eine Lösung: Er musste einen einzigen großen Coup landen, der ihn für den Rest seines Lebens sanieren würde, um dann in Frieden mit Judith und Nina irgendwo zu leben. Es sollte genug dabei rausspringen und eine sichere, gewaltfreie Angelegenheit sein. Was gab es für eine Alternative zu dem Hübschen und seiner „Erfindung“? Es half nichts, er brauchte dingend mehr Informationen, und die würde er sich beschaffen. Er war nicht blöd. Er würde es ihnen schon zeigen!
    Vorsichtig öffnete er die Tür zum Kinderzimmer. „Na, Nina, wollen wir mal schauen, ob wir dein Fahrrad wieder flottkriegen?“
    Ein begeistertes Lächeln zeigte sich auf dem kleinen Pausbackengesichtchen.
    Gustav Elvert saß auf seinem Wohnzimmersofa und starrte vor sich hin. Es war Freitagabend, und obwohl es bereits nach acht Uhr war, wollte sich kein entspanntes Gefühl einstellen. Die Gespräche des Tages arbeiteten in ihm, sodass er sogar die Tagesschau verpasst hatte, was selten vorkam. Vor allem die Gespräche mit Lukas und Karin ließen ihn nicht los. Sadako Sasaki … Santiago-Theorie der Erkenntnis … Er stand auf und ging seine umfangreichen Bücherregale durch, konnte jedoch nichts Passendes finden. Kurz erwog er, in die Praxis hinunterzugehen und im Internet nachzulesen, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Auf diese Art würde sich ganz sicher kein Wochenendgefühl einstellen. Da er keine Lust hatte, den Fernseher einzuschalten, schlug er die Tageszeitung auf und überflog das Kinoprogramm. Der einzige Film, der ihn interessierte, war jedoch noch in der Vorankündigung und würde erst im März in den Kinos starten. Elvert seufzte und schlug die Zeitung zu. Die meisten Vorstellungen hatten ohnehin bereits begonnen.
    Schließlich griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer von Matthias Peters. Matthias war eigentlich der einzige nähere Freund, den er hatte. Sie hatten sich beim Studium in Frankfurt am Main kennengelernt, und da sie beide Stuttgarter waren, war sofort eine enge Verbindung entstanden. Eine Zeit lang hatten sie sogar eine bescheidene Bude geteilt. Nachdem sie sich anschließend wieder im Stuttgarter Raum niedergelassen hatten, blieben sie in engem Kontakt. Matthias war etwas jünger als Gustav, und er pflegte ein wesentlich intensiveres Sozialleben. Er war es auch, der Elvert ein paar Jahre zuvor beim psychologischen Stammtisch eingeführt hatte. Und er war einem spontanen Kneipenbesuch niemals abgeneigt.
    Elvert hörte, wie es auf der anderen Seite klingelte, schließlich sprang der Anrufbeantworter an. Resigniert legte er wieder auf. Natürlich – man musste schon eine verdammt arme Socke sein, wenn man am Freitagabend um kurz vor neun immer noch unschlüssig allein daheim saß … Während er noch überlegte, wo Matthias sich herumtreiben könnte, fiel sein Blick auf den Wandkalender; er sah, dass es der dritte Freitag im Monat war und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
Psychologischer Stammtisch!
    Gustav Elvert war nie ein Fan dieser Institution gewesen, und die paar Mal, die er hingegangen war, hatte er es eigentlich nur Matthias zuliebe getan, obwohl gegen das sympathische Grüppchen, das sich einmal im Monat in der Plieninger „Garbe“ traf, absolut nichts einzuwenden war. Daran lag es nicht. Der Grund für seine Skepsis war wohl eher in seinem tiefsitzendem Misstrauen jeglicher Gruppendynamik gegenüber zu suchen. Ein weiteres Thema, an dem Karin ihre Freude hätte!
    Da ihm aber absolut nichts Besseres einfiel, und da er wusste, dass ihm die Decke in spätestens einer Stunde endgültig auf den Kopf fallen würde, zog er sich schließlich an und setzte sich ins Auto.
    Durch Möhringen und Steckfeld nach Plieningen hinüber war ein Katzensprung. Die „Garbe“ beim Hohenheimer Schloss war ein beliebtes Lokal und erwartungsgemäß bis zum letzten Tisch besetzt. Warm und einladend schlug Elvert eine Mischung aus Stimmengewirr, Lachen und Essensdüften entgegen, als er die schwere, hölzerne Eingangstür öffnete, und sofort wurde ihm leichter ums Herz. Es tat gut, unter Menschen zu kommen.
    Die

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