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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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Elvert, Eva … Darth Vader.“
    Mit aufgerissenen Augen starrte Ralf seinen Freund an, die Brötchenhälfte fiel ihm aus der Hand. „
Darth Vader
?“
    Lukas grinste. „War nur ein Scherz“, sagte er rasch, doch das klang nicht besonders überzeugend.
    Ralf dachte an Lukes Andeutung vom vergangenen Abend, dass er sich verfolgt fühlte, und seine Besorgnis verstärkte sich deutlich. Er überlegte, was er ihm Aufmunterndes oder Tröstendes sagen konnte, doch es fiel ihm nichts ein. Aber vielleicht ging es ja auch um etwas ganz anderes. „Ich glaube, dass es um mehr geht, als nur um die Funktionsfähigkeit deines Quines.“
    „Ach ja?“
    „Du hast doch nicht im Ernst gedacht, dass ich die Bedeutung von
NORT
nicht kenne?“
    Lukas schwieg.
    Ralf versuchte, ihn aus der Reserve zu locken. „Es ist ein Anagramm, richtig? Ein Anagramm aus den Buchstaben T, R, O und N. Tron. Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, die Toten ruhen zu lassen?“
    „Kein Anagramm. Nur ein NUXI-Problem.“
    Kurz musste Ralf gegen seinen Willen lachen. „
Du
hast dir ein Endianess-Bug geleistet? Macht dich ja richtig menschlich!“
    „Ich werde wohl alt.“
    „Sieht ganz so aus. Trotzdem …“
    „Nicht, bevor die Wahrheit gefunden ist.“
    „Welche Wahrheit? Deine? Du rennst einem Hirngespinst hinterher, Luke, genauso wie Hagbard Celine damals den Illuminaten. Es hat sie nie wirklich gegeben, sie waren eine reine Drogenphantasie!“
    Tatsächlich kam Ralf langsam zu der Überzeugung, dass es sich mit dem Programm genauso verhielt, doch zu dieser Einsicht musste sein Freund allein gelangen. Jeden, der ihm das Aufgeben nahegelegt hätte, sei es in Bezug auf die ungeklärten Tode von Karl Koch und Boris F., sei es in Bezug auf
NORT
, hätte er mit einem Fußtritt vor die Tür befördert.
    Da Lukas sich für andere Themen offensichtlich nicht mehr interessierte, versprach es ein stilles Frühstück zu werden. Schweigend kaute Ralf an seinem Brötchen. Plötzlich hatte er jedoch eine Idee.
    „Okay. Warum gehen wir’s nicht mal von der anderen Seite her an.“
    Lukas nahm die Nase aus der Kaffeetasse.
    „Dein Quine ist nicht funktionsfähig, und du weißt nicht, ob und wann du das Problem lösen kannst. Also überspringen wir’s doch einfach mal für einen Moment.“
    „Und dann?“
    „Tun wir so, als
wäre
es gelöst.“
    „Heißt?“
    „Das heißt, du hast gerade den revolutionärsten Algorithmus der Menschheitsgeschichte geschrieben. Okay. Was jetzt?“
    Langsam schien Lukas aus seiner Lethargie zu erwachen und seine Umgebung wahrzunehmen. Ein Erfolg! Um viel mehr ging es Ralf bei dem Gedankenspiel auch nicht.
    „Na ja, jetzt muss man sich überlegen, was man damit anfängt. Natürlich darf es nicht in die falschen Hände gelangen.“
    „Aber du wirst es ganz sicher auch nicht in der Schublade liegen lassen. Was, denkst du, ist es wert?“
    „Du weißt genau, dass ich nicht in diesen Kategorien denke.“
    „Klar. Aber ich. Ich bin jetzt dein CFO, und ich möchte cash sehen.“
    Lukas lachte. „Copyright ist zwar bekanntlich Aberglaube, trotzdem sollten die Rechte wenigstens vordergründig gesichert sein. Und dann … tja, wir werden einen Käufer brauchen, aber vorher …“
    „Ja?“
    „Vorher werden wir uns ein paar kritische Gedanken zum Thema ‚Wissenschaft und Verantwortung‘ machen müssen.
NORT
könnte das Gesicht der Welt verändern wie seinerzeit die Atombombe.“
    „Und du wirst als Werner Heisenberg des 21. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Aber den metaphysischen Aspekt der Angelegenheit stellen wir jetzt mal kurz zurück, okay? Sag mir, wie du den Käufer findest.“
    Da es ein Spiel war und vom anfänglichen Halb-Ernst mehr und mehr in eine reine Stand-Up-Comedy abglitt, schien Lukas Spaß an der Sache zu finden und stieg darauf ein. Weder achteten sie dabei auf ihre Umgebung, noch bemühten sie sich, leise zu sprechen. Da der Geräuschpegel um sie herum kontinuierlich anstieg, wäre das ohnehin sinnlos gewesen. Aber das „Jenseits“ war nicht der Ort, an dem man sich beobachtet fühlte – als Hetero schon gar nicht.
    „Na gut. Also, ich denke, man sollte einen Köder auswerfen. Auf einer Plattform, die möglichst viele Leute erreicht … am besten Twitter.“
    „Was genau meinst du mit ‚Köder auswerfen‘?“
    „Na ja, eine kurze Sequenz des Quellcodes. Etwas, das ganz harmlos aussieht, aber das einen Insider sofort elektrisieren würde. Jemanden, der nach so was sucht …“

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