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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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Nummer an, jedoch nur, um die erwartete Mailbox zu hören. Gerne hätte er sich noch etwas intensiver mit der dunkelhaarigen Schönheit befasst, doch ein ungutes Gefühl trieb ihn zum Aufstehen. Es war besser, er sah bei Lukas mal nach dem Rechten.
    „Ich weiß, das klingt jetzt ziemlich albern, aber verrätst du mir deinen Namen?“
    „Vicky“, sagte sie und ließ beim Gehen eine Visitenkarte auf dem Tisch zurück.
    Thomas Lamprecht stand in der Morgendämmerung an eine Hauswand schräg gegenüber der Rosenbergstraße 76 gelehnt und überlegte. Immerhin hatte er sich diesmal warm genug angezogen, um in aller Ruhe auf den geeigneten Moment warten zu können. Er zündete sich eine Zigarette an und beobachtete die Haustür.
    Erneut stellten sich Zweifel ein. Natürlich hätte er durch die Wohnungstür wesentlich einfacher ins Innere des Appartements gelangen können, als sich auf eine waghalsige Kletteraktion einzulassen, doch die Tür hatte ein recht solides Schloss und das Risiko, dabei überrascht zu werden, war relativ groß. Er kannte mehr als genug Beispiele für Einbruchskarrieren, die genauso abrupt geendet wie sie einst hoffnungsvoll begonnen hatten, weil übereilt gehandelt worden war und entscheidende Informationen gefehlt hatten. In diese traurige Statistik wollte er sich nun wirklich nicht einreihen! Nein, für eine erste Erkundung der örtlichen Gegebenheiten schien ihm der Weg über die Fenster der vielversprechendste zu sein, denn diese waren im Handumdrehen geöffnet, und die Gefahr, von einem der umstehenden Häuser aus beobachtet zu werden, schätzte er als äußerst gering ein. Es waren ausschließlich milchig verglaste Treppenhaus- oder Toilettenfenster, die auf den Hinterhof hinausgingen – von der Tatsache einmal ganz abgesehen, dass zu dieser Zeit am Samstagmorgen die meisten Bewohner sowieso noch schliefen.
    Blieb das Problem, dass er warten musste, bis der Hübsche das Haus verließ, und mit jeder Stunde stieg auch sein Risiko. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er weder wusste, wonach er in der Wohnung suchen sollte, noch, was er damit anstellen sollte, wenn er es gefunden hätte. Der Plan war schlecht, doch einen anderen hatte er nicht. Also stand er weiter in der Kälte, rauchte eine Zigarette nach der anderen und überlegte. Allmählich begann er zu frieren.
    Er war bereits fast an dem Punkt, sein Vorhaben aufzugeben, als seine Aufmerksamkeit plötzlich von einem auffällig lackierten Kadett in Anspruch genommen wurde, der sich mit beachtlicher Geschwindigkeit näherte und direkt vor der Haustür parkte. Ein wohlgenährter junger Kerl stieg aus und verschwand im Haus.
    Um Punkt zehn Uhr stand Ralf mit einer großen Brötchentüte vor Lukas’ Tür. Der war zwar verschlafen, doch zu seiner Erleichterung höchst lebendig.
    „Du siehst scheiße aus“, war Lukes trockener Kommentar gegenüber seinem unerwarteten Frühstücksgast.
    „Vielen Dank. Bekomme ich trotzdem einen Kaffee?“
    „Komm rein.“
    Wenige Minuten später hielt Lukas Ralf allerdings eine leere Dose unter die Nase. „Sorry, wird wohl doch nichts mit dem Kaffee, ich kam nicht zum Einkaufen.“
    Ralf überlegte einen Augenblick. „Wie wär’s mit dem ‚Jenseits‘?“, schlug er vor.
    Das „Café Jenseits“ war eine hippe Schwulenkneipe, etwas eng zwar, da sie nur aus einem einzigen kleinen Raum bestand, doch sie servierten dort ein schmackhaftes und preisgünstiges Frühstück. Um diese Zeit war die Chance auf einen Platz noch relativ groß, außerdem befand sich das „Jenseits“ keine fünf Minuten zu Fuß entfernt in der Bebelstraße. Lukas nickte und zog sich an.
    Kurz darauf saßen sie an einem runden Bistrotisch, und Ralf versuchte tapfer, sich mit den vegetarischen Aufstrichen anzufreunden, zu denen Lukas ihn überredet hatte. Es musste sein – sein Magen signalisierte unmissverständlich, dass er feste Nahrung benötigte.
    Lukas trank schweigend seinen Kaffee. Er schien tief in seine eigene Welt versunken. Eine Welt der Turing-berechenbaren Funktionen, des Lambda-Kalküls und der WHILE-Programme, in die Ralf ihm nur sehr begrenzt folgen konnte. Einen Augenblick erwog Ralf, Lukas von seinem Traum zu erzählen, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Er würde mit dem Trinken in nächster Zeit etwas vorsichtiger sein.
    „Wie geht’s
NORT
?“ fragte er stattdessen.
    „Status quo. Seltsam – plötzlich scheint sich jeder dafür zu interessieren …“
    „Wieso, wer denn noch?“
    „Dr.

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