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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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blickte Elvert seinen Freund an. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“
    „Du hast nie gefragt. Aber warum interessierst du dich jetzt plötzlich dafür?“
    Elvert trank einen großen Schluck und strich sich übers Kinn. „Ich habe einen Klienten … einen sehr außergewöhnlichen Klienten … der sich mit diesen Dingen beschäftigt. Den würde ich zu gerne mal deiner amerikanischen Hippiegruppe vorstellen – ich wette, da käme ein historischer Dialog zustande.“
    Matthias Peters lachte. „Historisch, hm?“
    „Hast du noch Kontakt zu ihnen?“
    „Nein, seit ich das Pot-Rauchen aufgegeben habe, nicht mehr.“
    „Du hast das Pot-Rauchen aufgegeben? Ist nicht wahr!“
    „Witzbold. Erzählst du mir mehr über deinen außergewöhnlichen Klienten?“
    Elvert schüttelte den Kopf und sah auf seine Armbanduhr. „Heute nicht mehr, Matto.“
    „Komm schon, trink noch eins.“
    „Dann verlier ich meinen Führerschein. Soll ich dich mitnehmen?“
    „Wenn du so fragst …“
    Elvert setzte Matthias in Sillenbuch ab und fuhr dann über Degerloch zurück. Er fühlte sich angenehm leicht, fast beschwingt, und das lag nicht am Alkohol.
    Er nahm sich fest vor, zukünftig wieder mehr Energie in seine sozialen Beziehungen zu investieren.

7
    Etwas desorientiert blickte Ralf sich um. Er befand sich an einem Ort, den er noch nie zuvor gesehen hatte und hatte keine Ahnung, wie er dort hingekommen war. Es war neblig, so wie es in Büsnau oft war, und er schien sich in einer Art Wald zu befinden. Unweit der Stelle, an der er saß, konnte er etwas Glitzerndes ausmachen. Er sah genauer hin und erkannte, dass es Wasser war. Er befand sich oberhalb einer Böschung, unter ihm lag ein See. Die Szenerie erinnerte ihn an die Umgebung des Bärenschlösschens, und doch war sie es nicht. Er spürte, dass irgendetwas nicht stimmte und versuchte aufzustehen, doch sein Körper fühlte sich an wie Blei. Er schien am Boden festzukleben. Er rief Lukes Namen, doch kein Laut kam aus seinem Mund. Panik erfasste ihn, und er versuchte mit aller Kraft, sich vorwärtszubewegen. Endlich schaffte er es unter Aufbietung all seiner Kräfte, bis zur Böschung zu gelangen, da stockte sein Atem. Weiter unten, direkt am Wasser, lag Lukas mit weit geöffneten Augen. Ein schmales Rinnsal Blut floss aus seinem Mund und sickerte neben ihm in die sandige Erde.
    Ralf drohte an dem Kloß in seinem Hals zu ersticken, schließlich, nach einer Ewigkeit, löste der sich plötzlich, und ein gellender Schrei drang aus seiner Kehle. Dann spürte er, wie jemand seine Schulter berührte …
    Schweißüberströmt fuhr Ralf hoch.
    „Was ist los? Hey, du hast geschrien. Alles okay mit dir?“
    Verwirrt blickte er in das besorgte Gesicht einer hübschen Brünetten, die er nie zuvor gesehen hatte. Er versuchte, sich zu orientieren und stellte zu seiner großen Erleichterung fest, dass er sich in seinem eigenen Bett, in seinen eigenen vier Wänden befand. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und schüttelte den Kopf, um klar zu werden. Verzweifelt versuchte er, den vorangegangenen Abend zu rekonstruieren, was ihm jedoch nicht gelingen wollte. Er erinnerte sich noch daran, Luke nach einer langen und ermüdenden Diskussion über die Church-Turing-These in Richtung „City Department“ verlassen zu haben. Dann riss der Film.
    Er musterte das Mädchen neben sich genauer und musste zugeben, dass sie ihm ausnehmend gut gefiel. Und das, obwohl er sonst nicht auf brünett stand!
    „Alles okay?“ fragte sie erneut. „Hattest du einen Alptraum?“
    Bedrohlich tauchte die Szenerie am See wieder auf, Ralf erschauderte und nickte.
    „Wundert mich nicht.“
    „Wie …“ begann er, doch sein Hals war voll Schleim. Er räusperte sich. „Wieso?“
    Sie grinste. „Na ja, du hast ganz schön zugelangt letzte Nacht.“
    Verständnislos sah er sie an.
    „Du musst nicht denken, dass ich so was öfter mache“, fügte sie entschuldigend hinzu. „Aber du … du warst wirklich süß, und ich konnte dich in dem Zustand doch nicht fahren lassen …“
    „Du bist gefahren?“
    Sie nickte.
    „Mit meinem Wagen?“
    „Keine Sorge, er steht vor der Tür – ohne eine Schramme.“
    Ralf schluckte. „Haben wir …?“
    Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde eine Spur breiter. „Doch, schon.“
    Ralf ließ sich aufs Kissen zurückfallen. Er fühlte sich, als sei er von einer Dampfwalze überrollt worden. Einem plötzlichen Impuls folgend griff er nach seinem iPhone und tippte Lukes

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