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Der kranke Gesunde

Der kranke Gesunde

Titel: Der kranke Gesunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas von Pein , Hans Lieb
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bei anderen reagiert es kaum. Wie bei der Betreuung von Kindern sind extreme Reaktionsweisen für die Bewältigung von Schmerz ungünstig, je nach Ausprägung nehmen wir den vom Kind geäußerten Schmerz durchaus ernst und trösten es, achten aber auch darauf, es mit unserer Besorgnis nicht zu verunsichern und möglichst bald wieder zu einer aktiven Lebensteilnahme zu motivieren. So wie wir uns gegenüber leidenden Kindern verhalten, reagieren wir auch unterschiedlich auf unsere eigenen Schmerzen.
    Umgangsformen mit Schmerz: Das Schema zeigt, dass sowohl übermäßige Besorgnis als auch völliges Ignorieren den Schmerz letztlich verstärken können; der ideale Weg liegt wie so oft in der Mitte (nach M. Hasenbring).
    Info
    Schmerzdämpfung – die Rolle der Endorphine
    Ein weiteres Zentrum im Gehirn ist für die Schmerzdämpfung zuständig. Dieses liegt im Stammhirn und hat sehr enge Verbindung zu unseren Gefühlszentren. Es ist immer aktiv, sonst wären wir durch die Erregung unserer Nerven im gesamten Körper ständig beeinträchtigt. Zusätzlich wird es in Notsituationen aktiviert, z. B. wenn wir aus einem brennenden Auto trotz gebrochener und verletzter Beine herauskrabbeln, bei hohen geistigen oder körperlichen Anforderungen, bei guter Stimmung oder auch in der Meditation, sodass die Fakire ihre Schmerzwahrnehmung fast ganz ausschalten können. Dieses Zentrum der Schmerzdämpfung arbeitet mit einer Informationssubstanz, die dem bekannten Schmerz- und Suchtmittel Morphium sehr ähnlich ist: dem Endorphin. Endorphin hemmt die Weiterleitung des Schmerzreizes von einer Nervenbahn zur anderen, sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark (am Schmerztor siehe →  S. 59 ), z. B. bei einem Marathonlauf, bei dem die Läufer nach einer Weile keine Schmerzen mehr verspüren und sogar in einen euphorischen Glückszustand geraten können.
    Plazeboeffekt
    Wenn Patienten mit Schmerzen in entsprechenden klinischen Versuchen statt eines Schmerzmittels nur ein Scheinmedikament (Plazebo) bekommen, lässt der Schmerz dennoch nach. Dabei spielen die Endorphine eine Rolle. Der Plazeboeffekt funktioniert aber nur, wenn die Patienten eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Arzt haben, der ihnen die Medikamente verabreicht. Die positive Erwartung – von dem Arzt ein wirkungsvolles Schmerzmittel zu erhalten – beeinflusst also das Schmerzempfinden. Die Wirkung von Medikamenten, ärztlichen Maßnahmen und sicherlich auch Psychotherapie hängt also ganz wesentlich davon ab, ob wir der Maßnahme gegenüber positiv oder negativ eingestellt sind. Dies ist keine »Einbildung«, sondern es ließ sich bei Gehirnuntersuchungen nachweisen, dass die Aktivität in den schmerzhemmenden Regionen zunimmt und in den schmerzempfangenden Teilen nachlässt. Interessanterweise kann die Wirkung von Plazebos durch Medikamente, die die Wirkung von Morphin blockieren, aufgehoben werden.
Chronische Schmerzen
    Chronische Schmerzen dauern entweder über Monate und Jahre an oder kehren immer wieder zurück, zum Beispiel chronische Rücken- oder Kopfschmerzen. Akute Schmerzen hingegen sind Folge einer Verletzung oder einer Nervenreizung und machen auf einen aktuellen Schaden oder eine Überlastungaufmerksam. Chronische Schmerzen entwickeln sich meist aus akuten Schmerzen und entwickeln ein »Eigenleben«, so wie bei dem sogenannten Phantomschmerz. Wie kommt es nun zu einer sogenannten Chronifizierung von Schmerzen?
    Alle einkommenden Schmerzreize werden im Gehirn auch an die sogenannten Bewertungszentren weitergeleitet. Ein völlig unbekannter Schmerz wird anders wahrgenommen als ein gut vertrauter; es kann sein, dass wir gelassen reagieren, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass er uns meist nur kurzfristig plagt. Hingegen werden wir ihn eher als bedrohlich wahrnehmen, wenn wir selbst oder Bekannte mit einem ähnlichen Schmerz schon schlimme Erfahrungen gemacht haben. Falls wir vermuten, dass der Schmerz auf eine schwere Schädigung hinweist, geraten wir leicht in Panik. Erschwerend kommt manchmal hinzu, dass wir uns in unserem Gesundheitswesen nicht gut behandelt fühlen, den Aussagen der Ärzte misstrauen und uns immer wieder auf die Suche nach einem rein organischen Erklärungsansatz machen. Dann bleibt die Angst bestehen und prägt unser weiteres Verhalten und damit auch die Stärke des Leidens.
Wie entsteht ein Schmerzgedächtnis?
    Je länger und stärker Schmerzen bestehen und desto mehr der Bereich des Gehirns, in dem der Schmerz neurologisch verarbeitet

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