Der Krater

Trottel die Tür aufmachte, ohne auch nur zu fragen, wer draußen stand. Burr sah zu seiner Überraschung einen Weißen in der Tür stehen, einen streitlustig wirkenden Kerl mit wettergegerbtem Gesicht und hellblauen Augen, der ein Karohemd, Hosenträger und Jeans trug. Das Mädchen musste adoptiert sein – oder dieser Mann hatte eine Schwarze geheiratet.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Mann recht freundlich.
    Er hielt seine Dienstmarke hoch. »Mr. George Straw?«
    »Ja?«
    »Ich bin Lieutenant Moore von der Polizei in Washington D.C., Mordkommission. Ich würde gern kurz mit Ihnen sprechen.«
    Das Gesicht wirkte sofort verschlossen. »Worum geht es denn, Officer?«
    Burr gefiel das mit dem »Officer«. Zeigte, dass der Mann Respekt vor dem Gesetz hatte.
    »Ich bin wegen Ihrer Tochter Abbey hier.«
    Der verschlossene Gesichtsausdruck verschwand, und Straws Gesicht verriet die Angst eines Vaters um sein Kind. Gut. »Was ist mit meiner Tochter? Geht es ihr gut?«
    Burr legte tiefe Besorgnis in seine Stimme. »Könnte ich hereinkommen?«
    Straw trat von der Tür zurück. Er zitterte jetzt schon. »Ja. Bitte.«
    Er folgte Straw ins Wohnzimmer und setzte sich ungebeten hin.
    »Meine Tochter – geht es ihr gut?«, fragte Straw wieder.
    Statt zu antworten, ließ Burr quälend lange Sekunden verstreichen und sagte dann: »Mr. Straw, was ich Ihnen jetzt sagen muss, wird ein Schock für Sie sein, aber ich brauche Ihre Hilfe. Die ganze Sache ist streng vertraulich, und Sie werden gleich verstehen, warum.«
    Sämtliche Farbe war aus Straws Gesicht gewichen, aber noch bewahrte er die Fassung.
    »Ich bin für den Fall eines Serienmörders zuständig, der seit Jahren jungen Frauen nachstellt, vorwiegend in der Umgebung von Washington D.C., aber auch in anderen Teilen Neuenglands. Sein Name ist Wyman Ford. Er tritt sehr kultiviert auf. Er ist gut. Er hat viel Geld und kleidet sich seriös.«
    »Ford.
Wyman Ford?
Meine Tochter hat gerade einen Job bei einem Mann angenommen, der so heißt!« Er stand wieder auf.
    »Das weiß ich. Bitte lassen Sie mich ausreden. Die Vorgehensweise des Täters sieht so aus, dass er junge Damen überredet, eine Stelle als seine Assistentin anzunehmen. Die Stellenbeschreibung ist vage, hat aber immer mit irgendwelchen geheimen Regierungsangelegenheiten oder Ähnlichem zu tun. Er lässt sie ein paar Wochen lang für sich arbeiten, dann bringt er sie um.«
    »Du lieber Himmel, er hat meine Tochter!«
    »Soweit wir wissen, geht es ihr gut. Sie ist vermutlich nicht unmittelbar in Gefahr. Aber wir müssen sie finden. Und zwar rasch und ohne Aufsehen. Wenn dieser Mörder den leisesten Verdacht schöpft, dass ihm jemand auf der Spur ist, tötet er und verschwindet. Das ist mir schon einmal passiert. Wir müssen also absolut ruhig und besonnen vorgehen und äußerst vorsichtig sein.«
    »O Gott, o mein
Gott!
« Straw lief mit geballten Fäusten und weißen Fingerknöcheln auf und ab. »Dieser Mann hat ihr vor etwa einer Woche einen Job angeboten. Sie ist mit ihm nach Washington gereist. Dann sind sie hierher zurückgekommen und haben sich mein Boot geborgt. Ich bringe ihn um, den Dreckskerl.«
    Volltreffer.
»Ihr Boot, sagen Sie? Wohin wollten sie denn?«
    »Ich weiß es nicht! Sie haben es einfach genommen und mir nur eine Nachricht hinterlassen. Ich habe sie gar nicht gesehen. Du lieber Gott.« Er schlug sich die Hände an den Kopf.
    »Könnte ich diese Nachricht sehen?«
    Straw eilte in die Küche und kam mit einem Blatt Papier zurück, das er Burr übergab.
    Lieber Dad,
    ich weiß nicht genau, wie ich Dir das sagen soll, aber ich habe mir Dein Boot geborgt. Wieder. Es tut mir ehrlich leid. Ich weiß, das klingt nicht gut, aber bitte glaub mir, es muss sein. Ich kann Dir nicht sagen, wohin wir fahren, aber ich müsste in ein, zwei Wochen zurück sein, hoffe ich. Ich werde keinen Handyempfang haben, aber wenn es irgendwie geht, rufe ich Dich an. Mir geht es gut, es ist alles in Ordnung, mach Dir keine Sorgen. Bitte sag niemandem, dass wir mit dem Boot unterwegs sind. Ich passe gut darauf auf.
    Alles Liebe
    Abbey
    Er las die Nachricht mit gerunzelter Stirn und legte sie auf den Couchtisch. »Das ist er, kein Zweifel. Haben Sie irgendeine Ahnung, wo sie hingefahren sein könnten oder warum?«
    Straws Gesicht verzerrte sich, und er hatte Mühe zu sprechen. »Nach Norden. Sie ist sicher nach Norden gefahren. Weniger Leute, mehr Inseln. Sie müssen irgendwo ein Stück vor der Küste sein, draußen auf den