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Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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»Wirklich.«
    Sie sah ihn zum ersten Mal richtig an. Kantiges Gesicht, kräftige Hakennase, markanter Kiefer – mager, aber stark auf seltsam angenehme Art. Als er lächelte, veränderte sich sein Gesicht dramatisch.
    »Die Remoulade? Heute noch?«, kam es laut vom Nebentisch.
    Der große Mann nickte und zwinkerte ihr zu. »Kümmern Sie sich lieber erst um die.«
    Sie eilte davon und kam mit der Remoulade zurück.
    »Wurde aber auch Zeit«, sagte der Dicke, riss das Schüsselchen vom Tisch und löffelte Sauce über die Muscheln.
    Sie kehrte zu dem großen Mann zurück, den Notizblock in der Hand. »Was darf ich Ihnen bringen?«
    »Ich hätte gern das Haddock-Sandwich.«
    »Etwas zu trinken, außer dem Kaffee?«
    »Wasser, danke.«
    Sie zögerte und warf einen raschen Blick hinüber zum Tisch der Bostoner, ob die noch etwas wollten, aber die beiden waren mit Essen beschäftigt. Er folgte ihrem Blick. »Tut mir leid, das mit denen da.«
    »Nicht Ihre Schuld.«
    »Wohnen Sie hier?«
    Das war in letzter Zeit ein bisschen zu oft vorgekommen. »Nein«, sagte sie, »ich wohne draußen auf der Halbinsel.«
    Er nickte nachdenklich. »Verstehe. Dann müssen Sie den Meteor vor ein paar Monaten ja gut gesehen haben?«
    Abbey wurde sofort argwöhnisch, ein wenig erschrocken über die unerwartete Frage. »Nein.«
    »Sie haben den Schweif des Meteors nicht gesehen und auch keinen Überschallknall gehört?«
    »Nein, gar nichts, nein.« Sie hatte das Gefühl, dass sie zu heftig protestiert hatte, und überlegte, womit sie ihre Reaktion überspielen könnte. »Und das heißt nicht
Meteor
, sondern Meteorit.«
    Der Mann lächelte erneut. »Die beiden Begriffe bringe ich immer durcheinander.«
    Rasch fuhr sie fort: »Möchten Sie noch etwas zu Ihrem Sandwich? Salat? Pommes?«
    »Nein danke.«
    Sie gab die Bestellung auf und eilte an den Tisch mit den beiden Leuten aus Boston zurück, die mit dem Essen fertig waren. »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«
    »Was denn, wollen Sie den Tisch so schnell wieder frei haben?«
    Die Frau sagte: »Ich finde es unmöglich, wenn sie einen so zum Gehen drängeln.«
    Sie sah an dem anderen Tisch nach dem Rechten und servierte das Haddock-Sandwich.
    »He, wo bleibt unsere Rechnung?«, erklang es von dem Bostoner Tisch. »Sehen Sie denn nicht, dass wir fertig sind?«
    Sie zückte ihren Block, ging zur Kasse, gab alles ein, druckte den Beleg aus, kehrte zum Tisch zurück und legte die Rechnung hin. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
    Der Mann hielt die Rechnung hoch und schaute demonstrativ auf die Summe. »Die reinste Abzocke.« Er zählte Geld auf den Tisch, eine Menge Kleingeld und ein paar zerknitterte Scheine, und ließ alles auf der Rechnung liegen.
    Der große Mann ging wenig später und hinterließ ihr ein so großzügiges Trinkgeld, dass es den Betrag ausglich, der auf dem Bostoner Tisch gefehlt hatte. Als sie seinen Tisch abräumte, fragte sie sich, warum er ihr so gezielte Fragen über den Meteoriten gestellt hatte. Der Mann wirkte ganz nett, aber er war irgendwie zwielichtig – ja, entschieden zwielichtig.

41
    W yman Ford war bis über die Wiscasset Bridge gekommen, ehe er rechts ranfuhr und vor einem Antiquitätenladen hielt. Er schaltete auf Parken, blieb einfach sitzen und dachte nach. Er konnte nicht genau sagen, was, aber irgendetwas stimmte da nicht. Es hatte etwas mit dem seltsamen Verhalten des Mädchens im Restaurant und mit dieser verrückten Geschichte in der Lokalzeitung zu tun. Er griff nach der Zeitung, die auf dem Beifahrersitz lag. Das Mädchen in dem Restaurant war eindeutig das Mädchen aus dem Zeitungsbericht, das nach einem Piratenschatz gesucht hatte. Als er sie nach dem Meteoriten gefragt hatte, war sie plötzlich nervös geworden. Warum? Und wie viele Kleinstadt-Kellnerinnen kannten den Unterschied zwischen den Begriffen Meteor und Meteorit?
    Er wendete und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. Zehn Minuten später betrat er erneut das Restaurant. Die Kellnerin war noch da und eilte geschäftig hin und her, und er beobachtete sie vom Pult des Oberkellners an der Tür. Sie war ganz sicher die junge Frau aus dem Zeitungsbericht – sie war sogar die einzige Afroamerikanerin, die er während seiner gesamten Reise durch Maine gesehen hatte. Sie hatte kurzes schwarzes Haar, das sich um ihr Gesicht ringelte, blitzende schwarze Augen, und sie war schlank und groß mit sportlicher Figur. Sie lief mit einem sardonischen, oft ironischen Ausdruck auf dem

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