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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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vorwärtskroch.
    Ein junger Mann eilte mit einem Hammer herbei, als wollte er den tödlichen Hieb selbst austeilen, doch Gaborn brüllte den Jungen an, er solle zurückbleiben. Die Stimmung in der Menschenmenge wurde immer haßerfüllter. Die Leute wollten Blut sehen.
    »Euch erschlagen?« fragte Gaborn Borenson.
    »Erschlagt mich«, flehte Borenson. »Nehmt meine Geisteskraft. Nehmt sie, bitte! Ich will nichts mehr wissen. Ich will nichts mehr sehen. Nehmt meine Geisteskraft!«
    Gaborn wollte nicht, daß Borenson so wurde, wie Sylvarresta gewesen war, wollte nicht sehen, wie diese Augen, die so oft gelacht hatten, einen leeren Blick bekamen. In diesem Augenblick fragte er sich jedoch, ob er dem Mann einen Gefallen damit tat.
    Ich und mein Vater, wir waren es, die ihn in den Wahnsinn getrieben haben, erkannte Gaborn. Seine Gaben zu akzeptieren wäre abscheulich – wie ein König, der die Armen besteuert, bis sie nicht mehr zahlen können, und ihnen dann erzählt, es wäre großzügig von ihm, ihnen ihre Gaben abzunehmen.
    Ich habe ihn verletzt, stellte Gaborn fest. Ich habe seine Unsichtbare Sphäre verletzt, ihn seines freien Willens beraubt.
    Borenson hat stets versucht, ein guter Soldat zu sein. Jetzt wird er sich nie wieder als guten Menschen sehen.
    »Nein«, antwortete Gaborn leise. »Ich werde Eure Geisteskraft nicht übernehmen.« Doch noch während er die Worte sprach, fragte er sich, welche Gründe er wohl hatte.
    Borenson war ein großartiger Krieger, der beste Kämpfer in Mystarria. Geisteskraft von ihm zu übernehmen wäre Verschwendung, einem Bauern gleich, der ein prächtiges Pferd tötete, um sich den Bauch zu füllen, wenn ein Huhn den gleichen Zweck erfüllen würde.
    »Bitte«, schrie Borenson noch einmal. Er kam jetzt an Gaborns Seite gehinkt, war kaum mehr als eine Armeslänge entfernt. Sein Kopf wackelte hin und her, und seine Hände zitterten, als er sich die Haare raufte. Er wagte nicht, aufzuschauen, hielt den Blick auf Gaborns Füße gerichtet.
    »Bitte – Ihr, Ihr versteht nicht! Myrrima war in dieser Burg!«
    Er deutete auf Longmot und jammerte: »Myrrima ist hierhergekommen. Dann nehmt eben meinen Stoffwechsel.
    Erzählt mir nichts, bis das alles vorbei ist!«
    Gaborn wich entsetzt einen Schritt zurück. »Seid Ihr sicher?«
    fragte er und versuchte vernünftig zu klingen, obwohl ihn längst alle Vernunft verlassen hatte. Er hatte andere Tode gespürt – den seines Vaters, den des Vaters von Chemoise, sogar König Sylvarrestas. Aber nicht den von Myrrima. »Habt Ihr sie gesehen? Habt Ihr ihre Leiche gesehen?«
    »Sie ist gestern aus Bannisferre fortgeritten, um in der Schlacht hier bei mir zu sein. Sie war in der Burg.« Borensons Stimme brach, er sank auf die Knie und schluchzte.
    Gaborn hatte ein so gutes Gefühl gehabt, als er die beiden zusammenbrachte. Er hatte geglaubt, daß eine fremde Macht ihn lenkte, daß die Kräfte der Erde ihn durchströmten.
    Bestimmt hatte er sie zusammengebracht, nur damit sie ein so tragisches Ende fanden.
    »Nein«, entgegnete Gaborn mit mehr Nachdruck, entschiedener. Er würde Borensons Gabe nicht übernehmen, selbst wenn das Schuldgefühl ihn zu vernichten drohte.
    Königreiche standen auf dem Spiel. Er konnte sich einen solchen Gnadenakt nicht leisten, so sehr ihn das auch schmerzte.
    Borenson ließ sich auf die Knie fallen, legte beide Hände mit den Handflächen auf den Boden. Es war die traditionelle Haltung von Kriegsgefangenen, die um ihre Enthauptung baten. Er flehte: »Wenn Ihr meine Gaben nicht wollt, dann nehmt meinen Kopf!«
    »Ich werde Euch nicht töten«, antwortete Gaborn. »Wenn Ihr mir Euer Leben schenkt, dann nehme ich es gerne an – froh über den guten Handel. Ich erwähle Euch. Werdet mein Diener. Helft mir, Raj Ahten zu besiegen.«
    Borenson schüttelte den Kopf und begann zu schluchzen, ein heftiges, erschütterndes Schluchzen, das ihm den Atem raubte.
    Gaborn hatte dergleichen noch nie bei dem Krieger erlebt und war wie betäubt, als er sah, unter welchen Qualen dieser Mann litt.
    Gaborn legte ihm die Hände auf die Schultern, gab ihm damit zu verstehen, daß er sich erheben sollte. Doch Borenson blieb auf den Knien und weinte.
    »Meine Dame?« rief jemand.
    Unten auf den Feldern unterhalb von Gaborn herrschte völlige Stille. Groverman und einhundert weitere Ritter traten jetzt entgeistert näher. Starrten Borenson voller Entsetzen an.
    Fragten sich, was sie tun sollten. Ein Ritter hatte Iome gerufen, doch sie hielt nur

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