Der Kreis aus Stein
sich Borenson mit gesenkter Lanze, als habe er es auf eine Bauchverletzung abgesehen, dann sah Gaborn, wie er sie ein winziges Stück hob, sie ruhig hielt und auf Sylvarrestas Herz zielte.
Sylvarresta seinesteils schien nicht zu begreifen, was geschah. Das Gesicht des Königs war zu einer Grimasse verzerrt, denn gerade eben war ihm wieder eingefallen, was, wie Gaborn gehofft hatte, er nie würde erfahren müssen. Und er hatte das Wort Tod herausgebrüllt, auch wenn er von seinem eigenen nichts ahnen konnte.
Dann preschte der Hengst auf Sylvarresta zu. Borenson zog seine Lanze den Bruchteil eines Zolls nach rechts hinüber, damit sie keinen Speer des Zauns streifte.
Dann brach das Pferd durch den Speerzaun, drückte Schäfte zur Seite, zersplitterte andere. Fast im selben Augenblick erfaßte Borensons Lanze König Sylvarresta genau unterhalb des Brustbeins. Die Lanze glitt mühelos hinein, warf den König nach hinten und hob ihn von den Beinen.
Borenson ließ die Lanze zehn Fuß weit durch die Brust des Königs gleiten, damit das dicker werdende Holz seine Rippen weit auseinanderbrach, dann ließ er das Heft der Lanze plötzlich los und wandte sich von dem Sterbenden ab.
Das Pferd nahm zwei donnernde Schritte Anlauf, setzte über der Leiche von Gaborns Vater hinweg, durchbrach den Speerzaun auf der anderen Seite und raste am Stamm der mächtigen Eiche vorbei.
König Sylvarresta stand einen Augenblick lang da und betrachtete blöde blinzelnd die gewaltige Lanze, die ihn durchbohrte, starrte staunend auf sein eigenes Blut, das rhythmisch über das polierte weiße Eschenholz spritzte. Dann gaben seine Knie nach. Sein Kopf sackte auf die Brust, und er kippte auf seine linke Seite.
Als er starb, sah er zu seiner Tochter hinüber und stöhnte matt.
Gaborn hatte keine Waffen griffbereit. Den Kriegshammer hatte er am Sattel zurückgelassen.
Er stürzte vor, hob einen Speer vom Boden auf und rief Iome etwas zu. Sie brauchte keine Aufforderung. Ihr Pferd hatte bei Gaborns Gebrüll gescheut.
Iome rannte hinter ihm her. Er dachte, sie würde zulassen, daß er sie abschirmte. Doch sofort wurde klar, daß sie keinesfalls die Absicht hatte, sich hinter ihm zu verstecken. Sie wollte lediglich an ihm vorbei zu ihrem Vater, der zusammengekrümmt und blutend am Boden lag.
Borenson riß sein Pferd herum, zog die Streitaxt aus ihrem Futteral hinten am Sattel und klappte das Visier seines Helms nach oben. Eine halbe Sekunde lang starrte er auf die Szene vor sich.
In seinen blauen Augen standen Schmerz und Irrsinn. Sein Gesicht war vom Zorn gerötet, die Zähne zusammengebissen.
Er hatte aufgehört zu lächeln.
Gaborn lief los und schnappte sich den Schild seines Vaters von der Eiche, wo er ihn hingehängt hatte, riß ihn hoch, um Iome und Sylvarresta zu schützen, dann wich er zurück und blieb fünf Fuß hinter der erkalteten Leiche von König Orden stehen.
Gaborn wußte, Borenson würde nicht zulassen, daß sein Pferd den Leichnam König Ordens zertrampelte und ihn entweihte. Er würde sein Pferd nicht in den Kampf hetzen.
Gaborn war aber nicht so sicher, ob sein Leibwächter davon absehen würde, ihn anzugreifen: Borenson war gezwungen gewesen, die Übereigner auf Burg Sylvarresta heimtückisch und blutrünstig zu morden. Man hatte ihn gezwungen, sich zu entscheiden, ob er König Sylvarresta und seine Mannen – seine eigenen Freunde – töten oder ob er zulassen wollte, daß die Übereigner weiterlebten und Raj Ahten dienten.
Es war eine grausame Wahl, die keinen Ausweg zuließ, keine gerechte Möglichkeit, mit der ein Mann hoffen konnte, weiterzuleben.
»Überlaßt sie mir!« brüllte Borenson.
»Nein!« meinte Gaborn. »Sie ist keine Übereignerin mehr.«
In diesem Moment blickte Borenson unter Iomes Kapuze und sah ihr hübsches, längst nicht mehr faltiges Gesicht. Sah ihre klaren Augen. Ihn überkam ein Ausdruck des Erstaunens.
Ein dunkler, verschwommener Fleck raste an Gaborn vorbei, einer von Sylvarrestas Rittern mit schnellem Stoffwechsel, der sich aus vollem Lauf auf Borenson stürzte. Der Bursche sprang, und Borenson wich nach hinten aus, schwenkte seine Streitaxt, erwischte den Krieger im Gesicht. Eine Gischt aus Blut erfüllte die Luft, als der sterbende Krieger über das Pferd hinwegflog.
Hunderte von Menschen waren Zeugen des Mordes an Sylvarresta geworden. Gaborn hatte alle Aufmerksamkeit auf Borenson gerichtet, doch jetzt bemerkte er die anderen.
Herzog Groverman und gut einhundert Ritter kamen
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