Der Kreis aus Stein
gekämpft hatte. Sie waren bloß Zeugen dieser letzten feigen Tat geworden. An diesem Tag würde er ihre Herzen nicht gewinnen, aber er hoffte, es möge ihm irgendwann gelingen.
Iome streichelte seine Hand, fand aber keinerlei tröstliche Worte für ihn.
Borenson dagegen starrte die Ritter bloß leeren Blicks an, als sei es ihm egal, wie sie über ihn urteilten. Tötet mich, schienen seine Augen zu sagen, oder laßt mich leben. Aber bringen wir es hinter uns.
Groverman und seine Männer rückten weder weiter vor, noch zogen sie sich zurück. Sie behaupteten, noch unentschieden, ihre Stellung.
Iome biß sich auf die Lippe, und ihr Kinn bebte so sehr, daß sie, ohne es zu merken, ihre Lippe zerbiß. So sehr glühten ihre Augen vor Wut und Verletztheit. Sie hielt das nicht länger aus, konnte nicht länger streiten. Ihr Volk war wütend, und sie fühlte sich verletzt und bis auf den Grund ihrer Seele verraten – innerhalb von zwei Tagen hatte sie ihre gesamte Familie verloren.
Gaborn hatte seine Mutter sterben sehen und jetzt seinen Vater. Er wußte, wie verzweifelt sie sein mußte, wußte, daß ihr Schmerz den seinen gewiß noch übertraf. Iome sagte im Scherz zu Gaborn: »Mein Lord König Orden, Sir Borenson – nach all Eurer großen Freundlichkeit in diesen letzten zwei Tagen möchte ich Euch bitten, diesen Ort zu verlassen, damit mein Volk Euch nicht erschlägt. Unser Land ist arm, und darunter leidet unsere Gastfreundschaft. Geht fort von hier.
Für Eure Verdienste schenke ich Euch Euer Leben, auch wenn meine Untertanen es gerne sähen, wenn ich etwas weniger großzügig wäre.«
Sie sprach in einem Ton, der ihr eigenes Volk verhöhnte, doch Gaborn wußte, daß sie es ernst meinte, daß sie nicht länger damit fertig wurde.
Er ging zur Hügelkuppe, wo sein Pferd im Schnee scharrte, um darunter süßes Gras zu Finden, dann folgte er Borenson nach Süden.
Hinter ihm löste sich sein Days aus der Menge und folgte ihm in seinem Schatten.
KAPITEL 36
Der Heiler
ls Iome an der Seite der Leiche ihres Vaters saß, wußte sie Anicht recht, ob sie auch nur einen Tag länger würde leben können. Ihre Energie, ihr Kampfeswille schienen ihr ebenso vollständig geraubt worden zu sein, wie zwei Tage zuvor ihre Schönheit.
Sie stand über der Leiche und wollte verzweifelt schlafen – oder schreien. Der kalte Schnee schmolz, drang durch ihre dünnen Stiefel wie der starke Wind durch ihr dünnes Kleid.
Ihr Volk war ein schwacher Trost. Die Menschen wußten, daß sie einen Lord brauchten, der sie beschützte, Iome verfügte jedoch nicht über die Geisteskraft, sie zu führen, besaß nicht die Anmut, sie anzuspornen, ihr zu folgen, besaß weder genug Muskelkraft noch Geschick im Kampf.
Ohne meine Anmut durchschauen sie mich, dachte Iome. Sie sehen, daß ich eine Täuschung bin, ein Nichts. Sämtliche Runenlords sind nichts ohne ihre Übereigner, die ihnen Macht geben und Bedeutung verleihen.
Iome stand zitternd auf dem Hügel und mußte erkennen, daß ihr Volk in diesem Augenblick keine Anstalten machte, ihr etwas anzubieten. Niemand brachte ihr einen Schal oder bot ihr eine Schulter, an der sie sich hätte ausweinen können.
Niemand traute sich in ihre Nähe. Vielleicht glaubten sie, sie brauche Zeit, um alleine zu leiden.
Doch Iome konnte nicht gut alleine leiden.
Sie war verwirrt. Gaborn hatte den Tod ihres Vaters nicht befohlen. Er hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, um ihren Vater zu retten. Doch irgendwie kam sie sich verraten vor. Vielleicht, weil er nicht wütend auf Borenson geworden war.
Hätte Gaborn die Geisteskraft des Mannes übernommen oder ihm den Kopf abgeschlagen, hätte sie ihn grausam und hart gefunden. Doch ein Teil von ihr fand, daß Borenson irgendeine unsägliche Strafe verdient hatte.
Zu ihrer Überraschung war es Binnesman, der nach einer Stunde als erster zu ihr kam und eine Decke um sie legte. Der Zauberer hockte sich neben sie und reichte ihr heißen Tee.
»Ich – möchte nichts«, sagte Iome. »Ich brauche nichts als Schlaf.« Sie war sogar zu müde, um zu ihm hochzusehen.
»Manchmal ist etwas Ruhe ebenso gut wie Schlaf«, sagte Binnesman und betrachtete sie. »Ich habe Zitrone und Lindenblüten in den Tee getan, dazu ein wenig Kamille und Honig.«
Er drückte ihr den heißen Becher in die Hände, und Iome trank. Sie hatte längst gelernt, daß Binnesman ihre Bedürfnisse besser kannte als sie selbst, und daß es ihm nicht schwerer fiel, ein Herz zu trösten, als eine
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