Der Kreis aus Stein
wird das Feuer nur um so vernichtender zerstören wollen. Und vor allem wird es danach trachten, Euch zu vernichten .«
Gaborn stockte der Atem, und die Erkenntnis ließ ihm das Herz gefrieren, denn genau dies hatte er die ganze Zeit gespürt – diesen geheimnisvollen, nagenden Verdacht, Die neuen Kräfte, deren Regung er in sich gespürt hatte, verlangten einen ungeheuren Preis. Indem er sich entschied, jemanden zu lieben, indem er danach trachtete, einen Menschen zu retten, markierte er den Betreffenden und machte ihn zur Zielscheibe.
»Wie dann? Wie kann ich dann etwas tun?« fragte Gaborn.
»Was nützt es einem Mann, erwählt zu werden?«
»Im Lauf der Zeit lernen wir, unsere Kräfte zu gebrauchen«, erklärte Binnesman. »Ihr denkt, der Nutzen sei gering, und vielleicht ist es so. Aber ist der Nutzen gering für einen Mann, wenn er den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeutet?«
Indem Gaborn darüber nachdachte, wurde ihm bewußt, daß er einiges richtig gemacht hatte. Er hatte Iome gerettet, als Raj Ahten sie gejagt hatte. Es war ihm gelungen, Borenson zu retten. Er hatte Myrrima aus Gründen hierhergeschafft, die er noch nicht so recht verstand, und plötzlich war er bis ins Mark seiner Knochen sicher, wenn er Borenson nicht zurückgeschickt hätte, um Myrrima vor den Invasoren in den Wäldern zu warnen, dann wäre die gesamte Familie hingemetzelt worden.
Ihm wurde klar, daß es ohne die Hilfe seiner frisch erwachten Kräfte noch viel mehr Tote gegeben hätte.
Gut, ich habe etwas erreicht. Aber ich muß weit, weit mehr tun.
»Was werdet Ihr jetzt machen, mein Lord?« fragte Binnesman, als hätte er seine Gedanken gelesen.
»Was würdet Ihr mir raten?«
»Ihr seid König. Ich bin nur ein Diener und kein Berater«, erwiderte Binnesman. »Die Erde wird Euch auf eine Weise dienen, wie sie mir nie gedient hat. Ich habe keine Ahnung, was Ihr tun sollt.«
Gaborn dachte nach. »Hier im Garten liegen Zwingeisen versteckt«, sagte Gaborn mit einem Seufzer. »Ich werde sie ausgraben. Raj Ahten glaubt, ich hätte sie bereits, hätte sie bereits benutzt. Wenn er zurückkommt, werde ich damit fertig sein. Vielleicht wird er die Summe Aller Menschen, ich aber werde die Summe aller seiner Alpträume sein.«
»Ihr kennt Euch gut mit den alten Sagen aus«, sagte Gaborn.
»Kann er das schaffen? Kann er die Summe Aller Menschen werden?«
»Nicht aller Menschen«, sagte Binnesman. »Er giert nach Macht, nach der Garantie fortgesetzter Existenz. Über die Kunst der Runenlords weiß ich nicht viel, aber ich weiß eins: wenn er danach trachtet, die Summe Aller Menschen zu werden, vielleicht sollte er dann zur Quelle gehen und lernen, wie man es macht.«
»Wie meint Ihr das?« fragte Gaborn.
»Wir Erdwächter haben ein langes Leben. Dem Dienen gewidmete Leben währen gewöhnlich lange, und dem Dienst an einem Land gewidmete Leben können die längsten von allen sein. Als ich jung war, vor vierhundert Jahren, lernte ich einen Mann aus dem Süden kennen. Ich traf ihn bei einem alten Gasthaus nahe der Anlegestelle Danvers. Er schien nur ein junger Runenlord zu sein, irgendein Adliger auf Reisen.
Einhundertachtzig Jahre später aber kam er nach Norden und besuchte den Sommer über Burg Sylvarresta. Zumindest glaube ich, daß er es war. In jenem Jahr gab es im Norden Ärger mit Greifern und Banditen. Er machte beidem ein Ende.
Dann ging er wieder nach Süden.«
»Daylan Hammer? Soll das heißen, daß Daylan Hammer noch
lebt?
Die
Summe
Aller
Menschen?
Nach
sechzehnhundert Jahren?«
»Das soll heißen, daß er vielleicht noch lebt«, antwortete Binnesman. Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich kann mich täuschen. Ich habe diese Geschichte nie jemandem erzählt. Vielleicht war es nicht klug, sie jetzt zu erwähnen.«
»Warum?«
»Er schien kein glücklicher Mann zu sein. Wenn er Geheimnisse hat, dann sollte er sie für sich behalten.«
»Ist Glück denn alles?« fragte Gaborn.
»Ja, letztendlich glaube ich, daß es so ist«, meinte Binnesman.
»Es sollte der Zweck Eures Daseins sein: in Frieden und Freude zu leben.«
Gaborn dachte nach. »Ist es verkehrt, wenn ich Raj Ahten mit seinen eigenen Mitteln bekämpfe? Wenn ich überhaupt gegen ihn antrete?«
»Es ist gefährlich, gegen ihn zu kämpfen«, meinte Binnesman. »Nicht bloß gefährlich für Euch, gefährlich für die ganze Welt. Würde er sich unserer Sache anschließen, würde ich mich sehr freuen. Doch er wird sich gegen Euch stellen, und es
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