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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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umklammerte seine Finger so fest, als hinge ihr Leben davon ab, daß er sie berührte.
    Mit hängendem Kopf saß sie da, die Augen ins Leere gerichtet. Gaborn wußte nicht, ob sie sich nur tief in ihr Inneres zurückgezogen hatte und gegen den Schmerz ankämpfte, oder ob sie ihr Gesicht einfach gesenkt hielt, um es zu verbergen, denn jetzt war sie nicht hübscher als jedes andere junge Mädchen auch.
    Eine volle halbe Stunde lang saßen sie dort, während die Soldaten von Sylvarresta kamen und sich von ihnen verabschiedeten. Dabei tuschelten sie mit gedämpften Stimmen untereinander. So mancher stolze Soldat warf Gaborn einen finsteren, mißbilligenden Blick zu, wenn er sah, daß er Iome so vertraulich berührte – doch er bot ihnen die Stirn.
    Er fürchtete, daß Raj Ahten hier auch insofern einen Sieg errungen hatte, daß es ihm gelungen war, einen Keil zwischen zwei Völker zu treiben, die lange Zeit befreundet gewesen waren.
    Vergeblich fragte er sich, wie er diese Kluft je wieder würde schließen können.
    Überall auf dem grasbewachsenen Hügelland im Umkreis von einer Meile leuchteten Lagerfeuer auf. Ein Soldat kam und brachte zwei große Fackeln und wollte die eine neben den Köpfen anbringen, die andere bei den Füßen, doch Binnesman verscheuchte den Mann.
    »Sie sind im Kampf gegen Flammenweber gefallen«, erklärte er. »Es wäre unpassend, jetzt so nahe bei ihnen ein offenes Feuer anzuzünden. Das Licht der Sterne ist hell genug.«
    Tatsächlich war der Himmel voller Sterne, so wie das Tal von Lagerfeuern ausgeleuchtet wurde.
    Gaborn hatte es für eine seltsame Gefühlsregung von Binnesman gehalten. Vielleicht fürchtete er die Flammen ebenso sehr, wie er die Erde liebte. Selbst jetzt noch, in der Kühle des Abends, lief er barfuß und hielt auf diese Weise Verbindung mit der Quelle seiner Kraft.
    Doch fast gleichzeitig mit dem Entfernen der Fackeln spannte Iome sich an, als verkrampfe sich jeder Muskel in ihrem Körper.
    Sie sprang auf die Füße und hob die Hände hoch über die Augen, schaute hinauf zu den umliegenden Bergen und rief: »Sie kommen! Sie kommen! Gebt acht!«
    Gaborn fragte sich, ob Iome vielleicht während der letzten zwei Tage zuwenig Schlaf bekommen hatte, fragte sich, ob sie jetzt mit offenen Augen träumte. Denn sie sah sich nach allen Seiten um und blickte hinauf zur Baumgrenze auf den Bergen im Westen, wobei in ihren Augen eine heftige Verwunderung aufleuchtete.
    Gaborn konnte nichts erkennen. Iome dagegen rief weiter und griff nach Gaborns Arm, als geschähe etwas ebenso Entsetzliches wie Wundervolles.
    Dann sprang der Zauberer Binnesman von den Leichen der toten Könige auf und rief: »Halt! Halt, niemand rührt sich, es sei denn auf eigene Gefahr!«
    Überall im Lager, über Hunderte von Metern, schauten die Menschen mit besorgter Miene hinauf zum Lagerfeuer ihrer verrückt gewordenen Prinzessin.
    Binnesman packte Iome an einer Schulter, zog sie an sich und flüsterte zufrieden: »Tatsächlich, da kommen sie!«
    Dann, aus großer, aus sehr großer Ferne, vernahm Gaborn ein Geräusch: den Klang eines Windhauchs, der durch die Bäume wehte, und der von nordwestlich der Burg auf sie zugebraust kam. Es war ein eigenartiges Geräusch, ein gespenstischer Ton, der anstieg und fiel wie Wolfsgeheul oder das Lied des Nachtwinds, der durch die Kamine von seines Vaters Winterpalast pfiff. Nur hatte das Heulen des Windes ein Ungestüm, eine Unmittelbarkeit, wie er sie erst ein einziges Mal gehört hatte.
    Gaborn schaute angestrengt nach Westen, und ihm war, als berührte ihn ein eisiger Wind. Doch der Wind war unsichtbar, er wehte, ohne die Äste zu bewegen oder das Gras niederzudrücken.
    Kein Wind, entschied Gaborn, sondern das Geräusch vieler zierlicher Füße, die in den Blättern und im Gras raschelten.
    Und aus den Wäldern, vermischt mit dem seltsamen Lied des Windes, drangen die schwachen Klänge von Jagdhörnern, das Gebell von Hunden und die Rufe von Männern herüber.
    Unter den Bäumen auf den fernen Bergen begannen blasse, graue Lichter zu tanzen, als Tausende von Reitern hoch zu Roß erschienen. Die grauen Lichter leuchteten schwach. Die Farben der Trachten der Reiter waren gedeckt – so, als betrachtete Gaborn sie durch eine verrußte Scheibe.
    Aber er konnte die Einzelheiten ihrer Trachten und Wappen erkennen: die alten Lords aus Heredon ritten auf diesen Pferden, in Begleitung ihrer Damen und Hunde, ihrer Gefolgsleute und Knappen, alle gekleidet für die große Jagd,

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