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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Vorsteher wußte aber nicht, daß der Regen in den westlichen Bergen eine verheerende Wollfaule bei den dortigen Schafen hervorgerufen hatte. Sehr wahrscheinlich hätte die Wolle des Vorstehers den dreifachen Preis erzielt, wenn man sie nur zum Markt gebracht hätte.
    Mein Großvater hätte sich, als er die Situation erkannte, die Gelegenheit zunutze machen und billig Wolle einkaufen können. Hätte er auf die Kaufleute gehört, die im Saal des Goldes unterrichteten, hätte er es auch getan. Denn sie hielten es für eine Tugend, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen.
    Statt dessen schickte mein Großvater zum Lehrmeister im Saal der Füße und sorgte dafür, daß eine Karawane die Wolle zu einem fairen Preis transportierte – für weniger, als die Dorfbewohner je bezahlt hatten.
    Daraufhin schickte er zum Vorsteher und erklärte ihm, was er unternommen hatte, dann bat er den Vorsteher, seine Wolle den Armen zum üblichen Preis zu überlassen, damit sie im Winter nicht frieren müßten.«
    Iome lauschte der Geschichte mit einer gewissen Ehrfurcht, denn sie hatte die Familie Orden immer für hartherzig und gefühllos gehalten. Vielleicht war nur Gaborns Vater so.
    Vielleicht war er nach dem schlimmen Ende seines eigenen Vaters so geworden.
    »Verstehe«, sagte Iome. »Dein Großvater hat also die Liebe der Armen gewonnen.«
    »Und den Respekt des Vorstehers und seines Dorfes«, fügte Gaborn hinzu. »Das ist die Art Runenlord, zu der ich gehören möchte. Jemand, der fähig ist, eines Menschen Herz und seine Zuneigung zu gewinnen. Das ist meine ganze Hoffnung. Es ist schwerer, ein Herz zu erobern als eine Burg. Es ist schwerer, das Vertrauen eines Mannes zu besitzen als irgend ein Stück Land. Deswegen habe ich im Saal des Herzens studiert.«
    »Verstehe«, sagte Iome. »Ich muß mich wohl entschuldigen.«
    »Wofür?« fragte Gaborn.
    »Dafür, daß ich irgendwann einmal gesagt habe, ich würde dich abweisen, wenn du um meine Hand anhältst.« Sie lächelte ihn an, wollte ihn mit ihren Worten necken, aber sie sah, daß es stimmte. Gaborn war ein eigenartiger und merkwürdiger junger Mann, und im Lauf des gestrigen Tages hatte sie nach und nach begriffen, daß er sehr viel mehr darstellte als es den Anschein hatte. Wenn es in diesem Tempo weiterging, würde es wohl nur noch einen Tag dauern, bis sie sich dermaßen ungestüm in ihn verliebte, daß sie sich nie wieder würde von ihm trennen wollen.
    Als die Pferde getränkt waren, ließ Gaborn sie wieder eine Weile in leichtem Trab gehen.
    Plötzlich öffnete sich die Schlucht des Leidens vor ihnen – ein tiefer Einschnitt, durch den sich ein Fluß wand und an dessen Seiten wand sich der Pfad entlangzog. Der Legende zufolge hatten die Duskiner diesen Ort geschaffen und dabei die Säulen eingerissen, die die Oberwelt stützten.
    Ganz langsam ließen sie die Tiere über den schmalen Pfad längs des Felsvorsprungs gehen, und Iome betrachtete die Säulen aus grauem und weißem Stein, die sich aus der Schlucht erhoben – ein wunderbarer Anblick. Sie fragte sich, ob dies die legendären Säulen waren oder bloß die Wurzeln der Berge, die vor langer Zeit ausgewaschen worden waren.
    Bäume klammerten sich an die steilen Seitenwände der Schlucht und sahen aus wie die Borsten einer Pferdebürste.
    Eine Meile weiter nördlich stürzte sich der Fluß des Leidens schäumend in die Tiefe. Iome konnte nicht erkennen, wo das Wasser landete, denn die Schlucht war so tief, daß ihr Grund sich im Dunkeln verlor. Von dort unten drang kein Geräusch nach oben. Riesige Fledermäuse kreisten in der Schlucht – unten, wo die Schatten den bodenlosen Abgrund füllten.
    Wenn jemand von der Straße abstürzte, hieß es, dann könne man seine Schreie noch einen Monat lang hören, bevor sie verhallten.
    Sie überquerten langsam den schmalen Paß. Der schwachsinnige König stapfte über den trügerischen Rand der Straße und hielt oft an, um in den Nebel tief unten zu starren.

KAPITEL 16
    Der grüne Mann
    König Sylvarresta erwachte und bewegte sich in einer Welt des Traums. Die Pforten seines Verstandes waren verschlossen. Er erinnerte sich nicht an viel. Nicht an Worte oder Namen – nicht einmal an seinen eigenen. Doch vieles in dieser Welt hatte etwas vage Vertrautes. Die Pferde, die Bäume.
    Er erwachte und sah ein gewaltiges Licht am Himmel in der Farbe von Gold und Rosen. Er hatte das sichere Gefühl, es irgendwo schon einmal gesehen zu haben.
    Sie ritten langsam auf einer schmalen

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