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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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noch richtig verarbeitet hatte, war das Mädchen auch schon im Bahnhof verschwunden. Das letzte Bild von Rebekka, das David in seinem Herzen aus Frankreich mitnahm, überwältigte ihn durch einen atemberaubenden Kontrast: Es lebte vom Wallen ihres hellen Frühlingskleides unter der dunklen Wolke ihres langen Haars.
     
     
    Die Überquerung des Ärmelkanals war selbst an seiner engsten Stelle kein ungefährliches Unterfangen. Seit die Deutschen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg führten, hatten sie schon hunderte von Schiffen auf den Meeresgrund geschickt. Dabei war es ihnen ziemlich egal, ob die Kähne unter der Flagge eines neutralen Landes liefen oder rein zivilen Zwecken dienten. Zugegeben, in diesen Zeiten gab es im Grunde kaum einen Dampfer, der nicht auch militärische Fracht an Bord hatte. Und außerdem war man in Berlin der Meinung, dass der eiserne Ring, den die britischen Schlachtschiffe vor der deutschen Nordseeküste ausgelegt hatten, nach einer Antwort schrie. Frei nach der Devise »U-Boot-Krieg gegen Hunger-Krieg« versenkte man daher alles, was einem vor die Torpedos kam.
    David blickte beunruhigt über die Reling in das graue Wasser hinab. Das Verflixte an diesen U-Booten war, dass man sie nicht sah. Sie kamen, töteten und verschwanden wieder. Wie ein Schatten in der Nacht. Wie jener vermaledeite Schemen, der seine Eltern ermordet hatte.
    Das Glück war ihm und Balu hold. Unbehelligt erreichte ihr Truppentransporter den Hafen von Dover. Zusammen mit einer Reihe von einbeinigen oder einarmigen oder sonstwie verstümmelten Kriegsveteranen verließen sie das Schiff. Schon am Abend trafen sie in London ein.
    Sir William H. Rifkind war außer sich vor Freude, als er David in Hannibal’s Court begrüßen konnte. Beim Dinner gab der Heimkehrer einen ersten Abriss der vergangenen zwei Jahre. Dabei sparte er auch ein für ihn sehr wichtiges Thema nicht aus. Es klang unglaubwürdig, gestand David ein, und Sir William mochte davon halten, was er wolle, aber er war der festen Überzeugung von einer Person verfolgt zu werden, die ihm nach dem Leben trachtete. Er berichtete von der schattenhaften Gestalt, die er am Morgen von Nicks Todestag zuletzt sogar auf dem Schlachtfeld gesehen hatte.
    Sir William erzählte, dass die Polizei im Mai 1916 die Untersuchung des mysteriösen Todes von Geoffrey und Margret Camden sowie ihren Begleitern eingestellt hatte. Trotz einiger Ungereimtheiten war man auf keine stichhaltigen Indizien für eine Gewalttat gestoßen. Inzwischen ruhten die Camdens in der Familiengruft außerhalb der Stadt und David war der offizielle neue Earl of Camden.
    »Ich werde meinen Namen nie mehr tragen«, sagte der Erbe bestimmt.
    Sir William sah den jungen Mann entgeistert an. »Aber wieso denn nicht? Ich meine, selbst wenn deine Theorie einer geheimnisvollen Verschwörung gegen die Camdens stimmt, was ich – bitte verzeih mir –, gelinde gesagt, bezweifle, dann hast du genügend Geld, um dich zu schützen. Du kannst dir neben Batuswami noch ein Dutzend andere Leibwächter anschaffen.«
    »Und dann? Ich bin erst achtzehn, Sir William! Möglicherweise werde ich hundert Jahre alt. Glauben Sie wirklich, ich möchte zweiundachtzig Jahre lang nicht mehr den Fuß vor die Tür setzen können, ohne befürchten zu müssen von einem dunklen Meuchler umgebracht zu werden?«
    Im Gesicht des Anwalts spiegelte sich Betroffenheit. Er begriff wohl erst jetzt, wie ernst dem jungen Earl die Sache war. »Du könntest unter einem anderen Namen leben«, schlug er schließlich aufgeräumt vor. »Ich werde alles so regeln, dass du weiterhin über dein Vermögen verfügen kannst. Was hältst du davon?«
    David dachte nur kurz darüber nach. »Das ist eine gute Idee. Den Namen Milton sollte ich allerdings schnellstmöglich ablegen. Wenn Sie ihn mit David Camden in Verbindung bringen konnten, dann gelingt das unter Umständen auch anderen.«
    »Wie wär’s mit einem englischen Ortsnamen? Debenham klingt nicht schlecht, finde ich.«
    David sah nachdenklich in Balus Gesicht. Der Inder nahm auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin an dem Abendessen teil. »Newton!«, sagte David mit einem Mal. »Ein Schriftsteller wäre vielleicht zu auffällig. Aber Isaak Newton habe ich schon immer bewundert. Er war ein gottesfürchtiger Mann und ein großes Genie.«
    »Isaak?«, wiederholte Balu, wohl wissend, dass sich mit diesem Namen in Davids jüngerer Vergangenheit noch eine andere Geschichte verband, eine, von der Sir William nur

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