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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Abschnitt seiner Oxfordzeit, der ganz seinen vielfältigen Studien gewidmet war. So wie er es Hirohito geschildert hatte, verzog er sich dabei ganz in das kleine Reich der City of Spires, der »Stadt der Turmspitzen«, wie man Oxford ob seiner zahlreichen gotischen Uhren- und Kirchtürme nannte.
    Eine Zeit lang hielt er sogar alles von sich fern, was von der Welt draußen zu ihm auf den Campus schwappte: Die Menschen der vormals kriegführenden Nationen hungerten. Jeden Tag schien es irgendwo eine Revolution, einen Putsch oder eine neue Regierung zu geben. Russland fraß im Bürgerkrieg seine Kinder gleich millionenfach, auch deshalb, weil diese nichts zu beißen hatten und schlichtweg verhungerten. In Indien meldete sich immer häufiger ein gewisser Mohandas Karamchand Gandhi zu Wort, der sich von der Gewaltlosigkeit der Suffragetten dazu hatte inspirieren lassen, den britischen Kolonialherren auf freundliche, aber bestimmte Weise die baldige Abreise aus seinem Subkontinent nahe zu legen. Deutschland klagte über die Höhe der von den Alliierten festgesetzten Reparationszahlungen – zweihundertsechsundzwanzig Milliarden erschienen ihm irgendwie zu hoch. Zumal bereits ein neues Gespenst am Horizont heraufzog, das den Namen »Inflation« trug. In Rom starb der Papst und ein neuer, der sich Pius XL nannte, wurde gewählt.
    Von all dem (und noch vielem mehr) nahm David kaum Notiz. Als Sir William ihm im April 1922 jedoch einen Brief aushändigte, der gerade aus Japan eingetroffen war, musste er seine Aufmerksamkeit zwangsläufig den profanen Dingen des Lebens zuwenden. Hirohito hatte ihm geschrieben. Der Brief trug den Absender von Dr. Hirotaro Hattori, Hitos Biologielehrer. Kurz nach seiner Heimkehr hatte der Kronprinz den Meeresbiologen darum gebeten, sich künftig als Mittelsmann in ihrem Schriftwechsel zur Verfügung zu stellen. Wenn David erst den Brief gelesen habe, schrieb der Freund gleich zu Beginn, werde er verstehen, weshalb diese Vorsichtsmaßnahme geboten erscheine.
    Hito berichtete nun, was in den vergangenen Monaten geschehen war. Er habe sich bemüht etwas über eine Verbindung Mitsuru Toyamas zu einem Geheimbund mit Namen Kreis der Dämmerung herauszufinden, aber bisher erfolglos. Allerdings hätten sich einige dramatische Vorfälle zugetragen. Etwa vier Wochen nach Hitos Rückkehr aus Europa habe sich ein junger Mann auf Premierminister Hara gestürzt, der vom Shimbashi-Bahnhof nach Kyoto reisen wollte. Der Attentäter, ein Eisenbahnbediensteter namens Konichi Nakaoka, habe dem Premier einen Dolch in den Rücken gestoßen, sich anschließend der Polizei gestellt und gelassen verkündet, er habe als Patriot gehandelt, da von dem Premierminister »die Verfassung besudelt« worden sei. Das Bedeutsame an dem Vorfall war weniger der politische Mord als vielmehr der Name, der damit in Verbindung gebracht wurde: Angeblich soll Toyama selbst den Eisenbahner zum Mord angestiftet haben, schrieb Hito. Gleichwohl konnte man dem Kopf der Amur-Gesellschaft nichts nachweisen. Er sei nicht einmal vor Gericht gestellt worden.
    Nun, während David-kun wohl gerade seinen Brief in den Händen halte, erwarte Hirohito den Prinzen von Wales zu Besuch. Er freue sich auf dieses Treffen ganz außerordentlich, aber Toyama setze anscheinend alles daran, ihm dieses Vergnügen zu verleiden. Vor wenigen Tagen habe sich nämlich vor dem Kaiserpalast ein junger Mann mit einer selbst hergestellten Bombe in die Luft gesprengt – nur drei Wochen vor der Ankunft des englischen Kronprinzen. Angeblich habe das Opfer der Gesellschaft Schwarzer Drache angehört und mit seinem Selbstmord gegen die Versuche protestiert, die Reinheit der Kaiserfamilie dadurch zu beflecken, dass man den Prinzregenten zwinge sich mit ausländischen – also minderwertigen – königlichen Personen auf eine Stufe zu stellen.
    Vielleicht könne David nun verstehen, weshalb er, Hirohito, so auf Diskretion bedacht sei, was ihre Korrespondenz betraf Der Chef des Schwarzen Drachens würde sich natürlich nie offen gegen das Kaiserhaus stellen, aber Hito glaube, dass Toyama ihm unterschwellig drohe: Wenn er seine Ermittlungen in Bezug auf Toyamas geheime Machenschaften nicht einstelle und sich dem Diktat dieses mächtigen Mannes nicht füge, dann könne er das nächste Mal auch den Mundschenken des Kaisers in die Luft sprengen oder seinen Geheimsiegelbewahrer oder irgendeine andere Person, mit der Hito ständig Umgang habe.
    Als der Prinzregent mit seinem Brief zu Ende

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