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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einmal mehr an Vaters auffällige Reaktion bei jeder neuen Nachricht bezüglich eines Anschlages. Konnte wirklich der Tod einiger weniger Staatsoberhäupter, Politiker oder anderer einflussreicher Männer das ganze Weltengefüge ins Wanken bringen? Eines stand jedenfalls fest: Mit dem Ende des Krieges war nichts mehr wie zuvor. Viele Monarchien existierten nicht mehr. Die Kirche blutete aus, weil ihr die Unterstützung verloren ging. Radikale Elemente kämpften überall um die Macht. Konnten fast vierhundert Morde in einem Land wie Deutschland die gemäßigteren Kräfte so weit schwächen, dass dadurch ein gefährliches Machtvakuum entstand? Eine schwache Führung war für die Massen ebenso unerträglich wie die Anarchie. Aus Italien hörte man, dass ein ehemaliger Volksschullehrer namens Mussolini eine faschistische Partei gegründet hatte, deren gewalttätige Terrorkommandos im Norden des Landes Angst und Schrecken verbreiteten. Waren solche Männer die »radikaleren Geister«, denen Belial den Weg ebnen wollte, einen Weg, der unweigerlich im Niedergang der Menschheit enden musste?
    Als David am Abend den Zug nach Oxford bestieg, trug er eine Holzschatulle unter dem Arm. Bisher hatte sie sicher verwahrt in Sir Williams Safe auf den Tag gewartet, da er sie wieder brauchen würde. Jetzt war die Zeit reif dafür. Er musste noch einmal genau den Bericht seines Vaters studieren, jede Einzelheit. Vielleicht hatte er darin irgendetwas Wichtiges übersehen. Und außerdem: Erst wenn er ihn im Schlaf hersagen konnte, würde ihm niemand mehr dieses einzige Zeugnis entwenden können, das er vom Kreis der Dämmerung besaß.
    Der Juni verhielt sich absolut unsportlich. Nun hatte der All England Club extra einen Tennisplatz aus der Taufe gehoben, um das traditionelle Wimbledon-Turnier in gebührendem Rahmen bei Erdbeeren und Schlagsahne zelebrieren zu können, und es regnete wie aus Kübeln. Als sich unvermittelt in den Wolken über dem neuen Centrecourt ein Loch auftat, eilten die US-Meisterin Molla Mallory und ihre Kontrahentin Suzanne Lenglen schnell auf den Rasen und malträtierten kleine Gummibälle. Aus Langeweile ließ David einen von ihnen dunkelblau anlaufen.
    Der Ball mit dem Bluterguss wurde sofort ausgewechselt.
    »Hast du das eben gesehen?«, fragte Sir William verdutzt, während er sich gleichzeitig zu seinem Schützling hinüberbeugte.
    David schmunzelte erst in Balus staunende Augen, dann blickte er scheinbar ahnungslos in Sir Williams Gesicht. Schulterzuckend meinte er: »Da muss wohl irgendein Scherzbold mit Farbe herumgespielt haben.«
    »Aber ich kann nirgendwo einen Eimer oder einen Pinsel entdecken.«
    »Vielleicht hat einer der Balljungen sich einen Spaß erlaubt. Es gibt Chemikalien, die sich an der Luft verfärben. Mit einem getränkten Lappen lässt sich so ein Trick leicht anstellen.«
    »Hm.« Sir William wusste darauf nichts zu erwidern, aber es war ihm anzusehen, wie unzufrieden er mit Davids Erklärung war.
    »Sir William?«
    »Ja, David?«
    »Könnten Sie mir einen Radioapparat besorgen lassen?«
    Der Anwalt runzelte die Stirn. »Ich denke, du studierst Geisteswissenschaften und nicht Ingenieurwesen. Was willst du denn mit diesem neumodischen Schnickschnack?«
    »In der Times stand letztens etwas über die neue British Broadcasting Corporation. Es heißt, sie strahlen regelmäßig klassische Musik aus. Die wird schließlich nicht von Ingenieuren gemacht.«
    »Seit wann bist du denn so an Klassik interessiert?«
    »Na ja, eigentlich geht es mir mehr um die Nachrichten.«
    »Aber es gibt doch Zeitungen, David!«
    »Schon, aber der Rundfunk soll angeblich schneller sein als die Druckpressen.«
    »Papperlapapp! Das ist doch alles Unsinn. Wahrscheinlich meldet die BBC in ein paar Wochen Konkurs an und dann sitzt du auf deinem famosen Radiogerät fest.«
    »Ich wollte Sie ja nur um diesen kleinen Gefallen bitten, weil ich unter der Woche nie Zeit habe. Balu hätte den Apparat für mich besorgen und ihn mir nach Oxford bringen können. Aber wenn es Ihnen so zuwider ist, dann werde ich mich in den Ferien eben selbst danach umsehen.«
    Sir William stieß geräuschvoll die Luft aus der Nase aus. »Diese Jugend hat nur Flausen im Kopf! Du kannst mit deinem Geld natürlich anfangen, was du willst, David. Schließlich bist du jetzt volljährig. Wegen mir kann Balu eine ganze Woche nach diesem Drahthaufen herumlaufen und ihn dir bringen.«
    »Danke, Sir William.«
    »Ja, ja. Schon gut, David.«

 
    Unter

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