Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Sie dem Treffen mit Lieutenant Barepitch zugestimmt haben.«
»Keine Ursache. Sie müssen wissen, dass es mir nicht darum geht, irgendeinen Mörder zu fassen. Es liegt mir viel daran, die Wahrheit herauszufinden.«
»Mir auch, Lieutenant, das können Sie mir glauben. Ich möchte Sie ermutigen den tatsächlichen Verursacher all dieser mysteriösen Todesfälle zu finden. Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich Ihnen aus Gründen meiner eigenen Sicherheit nicht alles über mich erzählt habe.«
Die grauen Augen des Scotland-Yard-Beamten schienen bis zum Grund von Davids Seele zu blicken. Noch einmal lächelte er. »Sie haben mir alles gesagt, was nötig war, und glauben Sie mir, ich möchte gewiss nicht derjenige sein, durch den noch größeres Unheil verursacht wird als das, was Sie schon erleiden mussten.«
David blickte verwirrt in das geheimnisvolle Lächeln des Polizisten. Hastings reichte ihm die Hand, schüttelte sie mit festem Griff und sagte zum Abschied: »Leben Sie wohl, Earl.«
Helden, Monster und Legenden
David hatte nie erfahren, woher Lieutenant Hastings Wissen stammte. Hatte der gewiefte Polizist ihn zu einer verräterischen Reaktion provozieren wollen, als er ihn mit seinem richtigen Adelstitel verabschiedete? Oder war er einfach ein zu guter Detektiv, um sich von Davids Versteckspiel hinters Licht führen zu lassen? Möglicherweise hatte sich ja auch einer der Beteiligten des Verhörs verplappert. Jedenfalls machte Hastings auf David den Eindruck eines Mannes, der vertrauenswürdig war. Er würde die jetzige Identität des Earl of Camden nicht verraten.
Für den Rest der Ferien hatte David alle Hände voll zu tun den Nachlass des verstorbenen Freundes zu regeln. Zu seiner Überraschung war er nämlich von dem Anwalt, der selbst weder Kinder noch andere lebende Verwandte besaß, testamentarisch als Haupterbe eingesetzt worden. Der Rest von Sir Williams Hinterlassenschaft sollte in eine Stiftung eingehen, deren Bestimmung es war, bedürftige Talente mit Hilfe von Stipendien zu fähigen Juristen zu machen.
Während David sich um einen würdigen Nachfolger für Sir Williams Kanzlei bemühte, sorgte er auch dafür, dass alle Dokumente, die ihn kompromittieren könnten, verschwanden. In Sir Williams vielfältigen Geschäftsverflechtungen war er nun das, was man gemeinhin als »graue Eminenz« bezeichnet – eine Rolle, die zu ihm passte, wie er fand.
Wer immer den Anwalt auf dem Gewissen hatte, er wollte damit in Wirklichkeit ihn, den verschollenen Sohn von Geoffrey Earl of Camden treffen, daran hegte David nicht den geringsten Zweifel. Diesem Jemand – und David ahnte natürlich, welch dunkle Person dies war – gelüstete danach, ihn zu vernichten.
Dem Meuchler war der Inhalt von Sir Williams Tresor und damit auch neunzig Prozent des Camden-Vermögens in die Hände gefallen. David selbst hatte darauf bestanden, dass der Anwalt die Ländereien und Gebäude der Camdens weitgehend liquidierte, weil es für ihn als Mr Newton nur unnötige Probleme bereitet hätte über diese Immobilien zu verfügen. Wenn alle Verkäufe getätigt waren, sollte das in Beteiligungen und anderen Wertpapieren angelegte Vermögen in der Schweiz deponiert werden.
Leider hatte diese Strategie David nun fast das Genick gebrochen. Aber sogar die verbliebenen zehn Prozent des Camden-Vermögens, zusammen mit dem Erbe von Sir William, würden ihn für lange Zeit jeder Sorge entheben. Selbst Lord Belial hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sein Feind, das Jahrhundertkind, den Verlust so schnell wieder wettmachen würde.
Das tragische Ende von Sir William und die noch immer ungeklärten Umstände von Sir Northcliffes Tod waren für David eine Warnung. Er hatte fast körperlich den Atem seines Verfolgers im Nacken gespürt. Deshalb musste Hannibal’s Court verkauft werden. Nur wenn er die Brücken zur Vergangenheit hinter sich abbrach, konnte David in der Zukunft seinen Kampf gegen den Kreis der Dämmerung aufnehmen.
Für das Personal des Anwalts schuf David eine großzügige Übergangsregelung, die es den Frauen und Männern, ausgestattet mit hervorragenden Referenzen, erlauben würde, in Ruhe anderweitig nach einer Anstellung zu suchen.
Batuswami Bhavabhuti wurde von ihm sogar mit einer Leibrente bedacht. Der kleine Inder, der mittlerweile schon auf die fünfzig zuging, sträubte sich zwar mit Händen und Füßen dagegen – er wollte viel lieber wieder den Leibwächter für David spielen –, aber diesmal
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