Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
mich, Officer!«, griff der Verletzte das Thema dankbar auf.
    »Kein Sorge, wir haben alles im Griff.«
    »Er wollte mich mit seinem Messer massakrieren«, fand David endlich zu Worten.
    »Mein Kollege sagte mir, Sie hätten ein Messer bei sich gehabt.«
    »Ja, natürlich. Weil ich diesem Trunkenbold nicht die Gelegenheit geben wollte noch größeren Schaden damit anzurichten.«
    »Die Stichwunde geht von der Innenseite der Tasche direkt in den Unterleib des Opfers«, konstatierte der andere Bobby, der gerade bei dem jammernden Alkoholzerstäuber kniete.
    »Wie ist es Ihnen gelungen, seine niederträchtige Absicht zu erraten, wenn er die Tatwaffe noch in der Tasche hatte?«, fragte wieder der erste Polizist.
    David warf verzweifelt den Kopf zurück und schloss die Augen. Weil ich ein Sekundenprophet bin. Er sah dem Beamten wieder ins Gesicht. »Gegenfrage: Wenn ich hier der Meuchler sein soll, meinen Sie wirklich, ich suche mir mit einem sperrigen Stilett erst den Weg in seine Tasche, um ihn an dieser völlig unzugänglichen Stelle aufzuspießen, wo er vermutlich sowieso überleben und gegen mich aussagen wird? Warum nicht einfach in sein Herz stechen? Das wäre doch viel effektiver. Ich habe in der Armee gedient! Glauben Sie mir, wenn ich einen Mann töten will, dann kann ich das auch.« Was bist du nur wieder polemisch, David! Aber vielleicht hilft’s.
    Der Constable kniff auf merkwürdige Weise das rechte Auge zusammen, als sei das eine amtliche Methode zur Überführung von Schwindlern. Zu allem Übel kamen nun auch noch zwei Sanitäter und stellten störende Fragen. Die beiden Bobbys waren von der Situation sichtlich überfordert.
    »So kommen wir nicht weiter«, sagte Constable Smith schließlich streng. »Sie müssen mich auf das Revier begleiten. Dort werden wir Ihre Aussage zu Protokoll nehmen. Anschließend sehen wir weiter.«
    Anschließend? Das Wort schlug in Davids Ohr ein wie eine Mörsergranate und verteilte tausende von Splittern in seinem Kopf. Während er abgeführt wurde, versuchte er die Konsequenzen dieser behördlich simplen Anordnung zu begreifen. »Anschließend« konnte viel zu spät sein. Wenn er Rebekka nicht am Bahnhof erwischte, dann würde er sie vielleicht niemals wieder sehen.
    Die Nachtbesetzung des Reviers machte sich gerade für den Schichtwechsel bereit. Hierzu gehörte das Einpacken von Brotdosen, das exakt parallele Anordnen von Bleistiften auf dem Schreibtisch und das Verschleppen von Zeugenanhörungen.
    David tobte. Er verlangte, sofort den Reviervorsteher zu sprechen, aber der war angeblich unabkömmlich. In welcher Angelegenheit wollte niemand verraten. Endlich, gegen sieben, kam Chief Inspector Langman, der für die Frühschicht zuständige Leiter vom Dienst. David hatte inzwischen genug Zeit gehabt, um seine Situation zu überdenken.
    Er verlangte telefonieren zu dürfen. Der Chief Inspector dachte, David wolle seinen Anwalt anrufen, aber der wählte eine andere Nummer. Zwanzig Minuten später trat Lieutenant Hastings von Scotland Yard in die Revierstube.
    »Ich dachte erst, Sie wollen sich einen Scherz mit mir erlauben«, begrüßte er David unter den strengen Blicken des Reviervorstehers.
    »Nein, es stimmt. Man will mir schon wieder einen Mord anhängen.«
    »Ich denke…«
    »Ja, ja, er ist noch nicht tot. Wenn er keine gefährliche Infektion bekommt, wird er auch nicht sterben. Lieutenant Hastings, dieser ganze Fall wäre eigentlich ein Witz, und da ich inzwischen für die Times arbeite, wäre es mir ein großes Vergnügen, einen Insiderbericht über die Arbeitsweise der Londoner Stadtpolizei zu schreiben, aber ich habe ein ganz anderes Problem.«
    Lieutenant Hastings hob die rechte Augenbraue. »Sie sind anscheinend immer für eine Überraschung gut, Mr Newton.«
    Dieser Name hörte sich auffällig sperrig an, so wie er aus Lieutenant Hastings Mund kam, aber David ignorierte das. In aller Kürze schilderte er die Vorgänge der zurückliegenden Stunden und dann verriet er, worum es ihm wirklich ging: Wenn er nicht in einer Stunde am Bahnsteig der Victoria Station war, dann würde sein Mädchen – die einzige Liebe seines Lebens – nach Paris abreisen. Er musste sie erreichen, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.
    Hastings sah David ungefähr drei Sekunden lang mit unbewegter Miene an. Dann begannen seine Mundwinkel zu zucken. »Mr Newton, jetzt ist es an der Zeit, mich für einen gewissen Vorfall zu revanchieren, der Ihnen noch recht gut in Erinnerung sein

Weitere Kostenlose Bücher