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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dürfte.«
    David sah den Lieutenant erschrocken an. Doch ein Strahlen auf Hastings Gesicht ließ ihn sich schnell wieder entspannen.
    »Ich werde jetzt mit Ihnen, dem Reviervorsteher und einem Protokollanten ein Verhör führen, ich werde die Fragen stellen und Sie werden nur antworten, wenn es vonnöten ist. Haben wir uns verstanden?«
    Anstatt etwas zu sagen, nickte David nur.
    Es erfolgte eine etwa zwanzigminütige Vernehmung, in der endlich einmal jemand die richtigen Fragen stellte. David lieferte dem Scotland-Yard-Beamten alle Steinchen für ein vollständiges Mosaik. Anhand von Indizien und den schriftlich vorliegenden Berichten der Polizisten aus der Nachtschicht konnte er ein Bild zusammensetzen, das alle Verdachtsmomente gegen David entkräftete. Hinzu kam, dass Scotland Yard über den verletzten Spitzbuben eine dicke Akte besaß. Schon vor dem Großen Krieg hatte er sich einer größeren Anzahl kleinerer Delikte schuldig gemacht, anschließend einige Jahre im Gefängnis pausiert und sich später mit noch schäbigeren Straftaten, darunter auch einige Fälle von Körperverletzung, über Wasser gehalten. Die Polizei könne Mr Newton danken, dass er ihr diesen gesuchten Verbrecher endlich zugespielt habe.
    Die letzten Ausführungen von Lieutenant Hastings flogen nur noch an David vorbei, wirklich hören tat er sie nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Uhr, die über dem Schreibtisch des Reviervorstehers hing. Es war zwanzig Minuten vor neun. Vermutlich war Rebekka schon längst irgendwo auf der riesigen Victoria Station. Er würde sie verpassen.
    »… Mr Newton!«
    David erwachte aus seinem Alptraum. »W-Was?«
    Lieutenant Hastings lächelte. »Ich hatte Sie gefragt, ob Ihnen die Polizei als Zeichen der Dankbarkeit für Ihre Dienste zur Verbrechensbekämpfung einen Gefallen tun könnte. Ich hatte da an etwas Praktisches gedacht – vielleicht eine Autofahrt zur Victoria Station.«
    Davids riss die Augen auf. »Das würden Sie für mich tun? Lieutenant Hastings, man sollte Sie zum Chef des ganzen CID machen.«
    Unter starker Geräuschentwicklung brauste Hastings’ schwarze Limousine die Victoria Street hinauf. Der Lieutenant steuerte das Geschoss höchstselbst. Er hupte, ließ die Reifen quietschen, den Motor aufheulen und schimpfte noch dazu, wenn ihm andere Fahrzeuge oder unvorsichtige Fußgänger in die Quere kamen. In einer Benzin-und-Gummi-Wolke kam das Fahrzeug vor dem Bahnhof zum Stehen. Sein Abschied war kurz und anfeuernd.
    »Holen Sie sich Ihr Mädchen, Mr Newton! Und verschonen Sie mich in Zukunft mit Ihren Scheinverbrechen.«
    David grinste, drückte eine halbe Sekunde lang die Schulter des über das ganze Gesicht strahlenden Mannes und sprang aus dem Automobil.
    Mit wehenden Schößen lief er in den Bahnhof. Es war sieben vor neun. In sechs Minuten sollte der Zug nach Dover abfahren. Auf dem Weg zu den Bahnsteigen machte er einen Uniformierten mit einem dicken Buch unter dem Arm aus. Wie ein Torpedo hielt er auf den Mann zu, packte ihn, Sekundenbruchteile, bevor eine elegante Lady ihn ansprechen konnte, und schrie: »Schnell, Sir, es ist lebenswichtig. Auf welchem Gleis fährt der Zug nach Dover ab?«
    Der Bahnhofswärter sah David erschrocken an. War es nun das Gesicht dieses aufgeregten jungen Mannes oder seine verborgene Gabe aus den Menschen die Wahrheit herauszukitzeln – jedenfalls antwortete der Schaffner: »Gleis sechs.«
    Kopfschüttelnd blickte er dem forteilenden jungen Mann nach.
    Aus einem Lautsprecher ertönten die mahnenden Worte, man möge sich bequemen und in den Zug nach Dover mit Anschluss nach Paris einsteigen. Diese Aufforderung werde gewiss kein zweites Mal wiederholt.
    David brach der Schweiß aus. Er rannte den Zug entlang und machte immer wieder kleine Sprünge, um besser in die Abteile sehen zu können. Hatte sie erste oder zweite Klasse gebucht? Vermutlich zweite. Die Waggons der zweiten Klasse standen natürlich weiter unten am Bahnsteig. David lief und sprang, lief und hüpfte, lief und…
    Er hatte sie entdeckt. Schnell klopfte er an das Fenster. Aus dem Abteil wandten sich ihm sechs Gesichter zu. Eines – dasjenige eines jungen Mädchens mit einem schwarzen Bubikopf – drehte sich sogleich wieder weg.
    David klopfte weiter und rief Rebekkas Namen. Einige der Passagiere beäugten ihn neugierig, aber andere runzelten bereits unwillig die Stirn.
    »Rebekka!« Er ließ nicht locker.
    Im Waggon Kopfschütteln. Was für ein komischer Affe hampelte da draußen

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