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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und präsentierte Rebekka eine Kollektion atemberaubender Abendkleider. David legte sich anschließend noch einen Cutaway zu. Dem festlichen Anlass wäre maßgeschneiderte Ware natürlich angemessener gewesen, aber dazu fehlte den beiden jungen Leute die Zeit. Sie hatten für acht Uhr abends einen Tisch bestellt.
    Die Verlobung wurde im Ritz gefeiert. Dort quartierte David auch seine Braut ein. Rebekka protestierte energisch gegen die »Geldverschwendung«. Sie war zwar nicht in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, aber ihr fehlte jegliches Vorstellungsvermögen für das, was Familien wie die Camdens unter einer »akzeptablen Unterbringung« verstanden.
    Für gewöhnlich pflegte David sein Geld mit jener englischen Tugend auszugeben, die man schlicht Understatement nannte. Auch gegenüber Rebekka hatte er im letzten Jahr nie mit seinem Vermögen geprotzt. Was sie gebraucht hatten, war einfach immer da gewesen, und was er für unnötig hielt, musste er auch nicht haben, nur um sie zu beeindrucken. Aber jetzt hatte sich alles geändert. Sie liebte ihn um seiner selbst willen. Sogar sein schweres Vermächtnis wollte sie mit ihm tragen. Sie war ein Juwel, ein engelsgleiches Wesen. Am liebsten hätte er für sie eine Wolke im Himmel reserviert, egal was es gekostet hätte. Aber das ließ sich auf die Schnelle nicht arrangieren.
    Einige Tage nach der Verlobung erhielt Marie Rosenbaum in Paris ein aufregendes Telegramm.
     
    liebe mutter – stopp –
    werden am 8. juli in Schottland
    heiraten – stopp –
    du bist herzlich eingeladen – stopp –
    bring bitte einen regenschirm mit – stopp –
    bekka und david
     
    Der Juni ging wie im Fluge vorüber. Marie, Rebekkas Mutter, hatte zugesagt mit den Brautleuten nach Schottland zu reisen. Das Paar wollte sich konfessionslos trauen lassen. Rebekka war im jüdischen Glauben erzogen worden und David christlich. Aber der Krieg hatte ihre religiösen Empfindungen verändert. Für David spielte es keine Rolle, welcher Nationalität, Religion oder Rasse ein Mensch angehörte, und er konnte sich nicht vorstellen, dass Gott in dieser Hinsicht kleinlicher war. Engstirnigkeit gehörte zu den typisch menschlichen Eigenschaften. Die religiösen Führer aller Kriegsparteien machten da leider keine Ausnahme. Er erinnerte sich noch sehr gut an den jungen deutschen Soldaten, auf dessen Koppelschloss die Formel »Gott mit uns« gestanden hatte. Nein, Gott würde sich gewiss nicht durch solche Fetische beeindrucken lassen.
    Rebekka dachte ähnlich wie er. Weil es der Wunsch ihres damals bereits gefallenen Vaters gewesen war, hatte sie bis zu ihrem Bat-Mizwa noch die Synagoge besucht. Sie war damit zwar zu einem aktiven Mitglied der jüdischen Gemeinde geworden, aber äußere und innere Nöte – beide hervorgerufen durch den Krieg – hatten sie ihrem Glauben entfremdet.
    In Großbritannien konnten nicht nur Staatsbedienstete Trauungen durchführen, sondern auch Geistliche aller anerkannten Konfessionen und manchmal eben auch ein Schmied. Wie der Handwerker aus Aberfeldy sich die Lizenz zum Trauen erworben hatte, wussten David und Rebekka nicht, aber auf jeden Fall war er für sie genau der richtige Mann. Außerdem stellten sie sich eine Trauung in einer Hufschmiede ungemein romantisch vor.
    Sobald alle Einzelheiten feststanden, telegrafierte David nach Tokio. Er schickte eine Einladung an Yoshi sowie – über den kaiserlichen Biologielehrer – eine zweite an seinen Freund Hito. Natürlich rechnete er nicht ernsthaft mit dem Kommen seiner Freunde, aber er war einfach so glücklich über seine baldige Vermählung, dass die ganze Welt daran Anteil nehmen sollte – oder wenigstens die wenigen Freunde auf dem weiten Erdenrund, die ihm noch geblieben waren.
    Zu Rebekkas Entsetzen traf wenige Tage vor der Hochzeit ein Telegramm aus Paris ein. David war, wie jeden Morgen seit drei Wochen, gleich nach dem Aufstehen ins Ritz gefahren, um mit seiner Verlobten zu frühstücken. Ein Hotelpage überbrachte die Nachricht. Noch während Rebekka auf das Fernschreiben blickte, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Was ist?«, fragte David besorgt.
    »Lies selbst«, antwortete sie und reichte ihm das Blatt. Ungläubig überflog er den knappen Text.
     
    liebe bekka, lieber david – stopp –
    bin an einer schweren guertelrose erkrankt – stopp –
    die schmerzen sind furchtbar – stopp –
    bis ich wieder ganz gesund bin, kann ich unmöglich zu euch kommen – stopp –
    bitte lasst euch die

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