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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hundert Jahre altes Haus am Carlton Hill. Hier würden sie die Nacht verbringen. David hatte zwei Hotelzimmer reserviert. Sogar auf zwei verschiedenen Etagen, um Rebekka in keiner Weise zu kompromittieren. Er war zwar in einem Land aufgewachsen, in dem Konkubinen ebenso zum Leben gehörten wie andernorts edle Katzen oder anderes Getier, aber seine Eltern hatten ihn auch gelehrt sich stets wie ein Ehrenmann zu benehmen. Ungezügelte Wollust konnte schnell den Sinn für jene Attribute der Liebe trüben, deren Haltbarkeit über die Zeit von Jugend und Schönheit hinausging. Seine Liebe zu Rebekka aber sollte etwas Besonderes sein, etwas Reines, Ewiges. Obwohl es ihm manchmal nicht leicht fiel, übte er sich daher in Selbstbeherrschung.
    Den Nachmittag verbrachte das Paar in der Opulenz des Tearooms sowie bei einem Spaziergang im wunderschönen Garten des Hotels. Eine Weile lang saßen sie auf einer Bank am Springbrunnen des begrünten Hofes und sahen zwei Herren zu, die mit großem Ernst lebensgroße Figuren über ein Riesenschachbrett schoben. Am Abend wandelten sie dann unter üppigen Kronleuchtern entlang zum Dinner. Sie ließen sich beim Essen viel Zeit und sprachen über ihre gemeinsame Zukunft, über ein gemütliches Heim, aufregende Reisen und herumtobende Kinder.
    Am Dienstagmorgen wuchteten David und Rebekka ihr Gepäck an der Waverley Station wieder in einen Zug, der sie in die schottischen Highlands bringen sollte. David hatte seine wertvollsten Besitztümer mit auf die Reise genommen: die Schatulle seines Vaters und die beiden japanischen Schwerter. Obwohl er die Waffen seit dem Ende seiner Armeezeit nie mehr benutzt hatte, hing er doch immer noch an ihnen. Vielleicht war es so etwas wie eine Vorahnung, eher jedoch die im Laufe vieler schmerzlicher Erfahrungen gewonnene Vorsicht, die es ihm unmöglich machte, sich für längere Zeit von seinen kostbarsten Schätzen zu trennen.
    Nachdem Perth hinter ihnen lag, kreuzten sie mehrmals den Fluss Tay, bis sie schließlich Ballinluig erreichten. Von dort ging es mit einer Kutsche weiter nach Aberfeldy. Natürlich hätte David auch eine Limousine mieten können, aber sie hatten Zeit und das Getrappel und Geschnaufe der Pferde war allemal romantischer als das Geknatter und Gepuffe eines Automobils.
    Der kleine Ort Aberfeldy lag in einer atemberaubenden Landschaft. Zwar konnten sich die schottischen Berge nicht mit den kontinentalen Riesen der Alpen oder anderer Gebirgszüge messen, aber allein die urwüchsige Kargheit dieser hauptsächlich aus Felsen und Wiesen bestehenden Bergwelt strömte eine Kraft aus, der sich kein Betrachter auf Dauer entziehen konnte. Man fühlte sich dem Himmel näher, der hier – wohl auch wegen der von häufigen Regenfällen stets sauber gewaschenen Luft – tiefer zu hängen schien als anderswo auf der Welt.
    Weil sie ihr Reiseziel pünktlich erreicht hatten, blieb David und Rebekka noch genügend Zeit sich in einem winzigen Gasthaus eine mit Schafsfleisch gefüllte Pastete zu teilen. Der Wirt ahnte schon, was sie in den Ort geführt hatte, als sie sich nach der Schmiede von Adam Arbuthnot erkundigten, dem Mann, der sie trauen sollte. Er beschrieb ihnen den Weg und sie bestellten noch eine Kanne Tee.
    Die Schmiede von Mr Arbuthnot war ein schneeweißes riedgedecktes Haus mit einem großen Tor in der Mitte und zwei blumengeschmückten Fenstern zur Straße. Wie ein Gebäude, in dem Pferde beschlagen wurden, sah es eigentlich nicht aus. Nirgendwo war Dung, Asche oder sonstiger Schmutz zu sehen. Vermutlich schmiedete der Mann längst hauptberuflich Herzen zusammen und hatte schon lange keinen echten Hammer mehr geschwungen.
    Als David den Brustkasten von Adam Arbuthnot sah, war er sich seiner nicht mehr so sicher. Zumindest früher musste diesem Mann körperliche Arbeit nicht fremd gewesen sein. Ungefähr einen halben Kopf kleiner als David, war er oben wie eine Tonne gebaut, in den Hüften aber bestenfalls wie ein Tönnchen. Seine roten Haare waren dick wie ein Rossschweif und im Nacken ziemlich lang.
    »Herzlich willkommen. Sie müssen Mr Newton und Miss Rosenbaum sein«, begrüßte er das Paar freundlich und ziemlich laut.
    David und Rebekka bestätigten diese Vermutung und ließen sich die Finger quetschen.
    »Wo ist Ihre Trauzeugin?«, fragte der Schmied gleich als Nächstes.
    »Die Mutter meiner Braut ist leider kurzfristig erkrankt und konnte uns nicht auf unserer Reise begleiten«, antwortete David. »Wir dachten, es müsste doch hier

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