Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
hochzeit durch mich nicht verderben – stopp –
ich denke an euch und wuensche euch gottes segen – stopp –
eure mutter
»Wollen wir mit der Hochzeit nicht trotzdem warten, bis sie wieder gesund ist?«, fragte David, nachdem er tief durchgeatmet hatte.
Rebekka wischte sich mit der Serviette die Tränen ab. »Ich kenne meine Mutter. Sie sagt immer, was sie denkt. Es würde ihr nicht gefallen, wenn wir unsere Trauung verschöben.«
»Dann reisen wir also am nächsten Montag?«
Rebekka griff nach Davids Hand und drückte sie ganz fest. »Ja, Liebling. Und am Dienstag sind wir Mann und Frau.«
Bevor das Paar seiner Lebensplanung den amtlichen Stempel aufdrücken konnte, wurde David noch von zwei weiteren Nachrichten überrascht. Die erste erreichte ihn am Donnerstag, dem 3. Juli, in Form eines Telefonats aus New York City. Seit ein Transatlantikkabel die Alte mit der Neuen Welt verband, waren derartige Ferngespräche zwar keine Zukunftsvision mehr, aber nur wenige Menschen leisteten sich wirklich den Luxus solcher Plaudereien über den halben Globus hinweg. Eine dieser Personen war Briton Hadden.
»Hallo, hier spricht David Newton.«
»Briton Hadden am Apparat.«
»Hadden? Etwa der Briton Hadden?«
»Ich nehme an, wir sprechen von demselben, Mr Newton. Sie kennen also mein jüngstes Baby schon.«
David griff nervös nach einem Bleistift. »Mr Hadden, ich bitte Sie! Seit Sie Ihr Time-Magazin letztes Jahr aus der Taufe gehoben haben, spricht die ganze Welt davon.«
»Nun ja, sagen wir, die kleine Welt der englischsprachigen Journalisten.«
»Keine falsche Bescheidenheit, Mr Hadden. Ihre Idee ein selbstbewusst-kritisches und zugleich unterhaltsames Magazin herauszubringen, war genial: Gut recherchierte Hintergrundreportagen über das Weltgeschehen, die nicht unter der Geißel der Tagesaktualität leiden – das ist meiner Meinung nach das Erfolg versprechendste Konzept, das in den letzten Jahrzehnten auf dem Zeitungsmarkt realisiert wurde. Welchem Anlass verdanke ich die Ehre Ihres Anrufes, Mr Hadden?«
»Mir gefällt es, wie Sie über Time sprechen, Mr Newton. Ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht Lust hätten für unser Magazin zu arbeiten.«
Knack! Der Bleistift in Davids Hand war zerbrochen wie ein Streichholz.
»Mr Newton? Sind Sie noch dran?«
»Ja, Mr Hadden. Ich höre Sie noch. Ihr Angebot kommt nur etwas überraschend für mich. Wie sind Sie gerade auf mich gekommen?«
»Der erste Anstoß kam eigentlich von Henry, meinem Partner. Er wurde in China geboren. Anscheinend interessiert er sich deshalb für alles Asiatische. Ihm ist in der Londoner Times ein Artikel von Ihnen aufgefallen, irgendetwas über Japan. Anschließend haben wir beide dann noch weitere Ihrer Arbeiten gelesen – mit großem Wohlwollen, muss ich anmerken. Wenn ich Ihre Stimme richtig einschätze, dann müssen Sie noch sehr jung sein. Woher stammen Ihre erstaunlich detaillierten Japan-Kenntnisse, Mr Newton?«
»Ich bin dort geboren«, gab David zu. Er war so perplex, dass ihm erst nachher aufging, was er damit preisgegeben hatte.
»Das wird Henry freuen«, erklang Haddens amüsierte Stimme aus dem Hörer. »Damit ist Ihr Geburtsort erheblich dichter an dem seinen wie der meinige. Und das will etwas heißen – Henry und ich sind nämlich zusammen zur Schule gegangen. Aber nun zum Geschäft. Was halten Sie von meinem Vorschlag, Mr Newton?«
In Davids Kopf wirbelten Worte und Sätze durcheinander, als wäre ein Windstoß in einen Stapel Manuskriptseiten gefahren. »Also ehrlich gesagt wäre mir ein wenig Bedenkzeit nicht unlieb, Mr Hadden.«
»Oh.« Hadden klang enttäuscht. »Anscheinend sind wir Amerikaner tatsächlich impulsiver als die sprichwörtlich steifen Briten – nichts für ungut, Mr Newton.«
Jetzt musste auch David kurz auflachen. »Keine Sorge, Mr Hadden. Ich bin nicht empfindlich.«
»Na ja, hätte ich mir denken können, dass ein junger Reporter, der bei der nobelsten Zeitung arbeitet, mit der das britische Empire aufwarten kann, nicht so Knall auf Fall seine Stellung aufgibt.«
»Ich möchte nur nichts überstürzen, Mr Hadden. Es ist nämlich…« David zögerte. Sollte er das wirklich diesem wichtigen Mann anvertrauen? Ach, was sollte es. »Ich heirate nächsten Dienstag und wollte anschließend mit meiner Braut die Flitterwochen in Schottland verbringen.«
»Gratuliere! In dem Fall könnte ich auch an nichts anderes denken. Ich freue mich für Sie, Mr Newton.« Haddens Herzlichkeit klang
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