Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Gesprächsthema der beiden Herren gesichert. Rebekka, die, mehr noch als David, jede Form von Gewalt verabscheute, klammerte sich schweigend an seiner Hand fest. Das Schlusslicht der Besichtigungsgruppe bildete ein livrierter Diener, den der Herzog als Ben vorgestellt hatte. Katherine, die Herzogin, hatte sich bereits in der Eingangshalle entschuldigt, sie müsse für die kleine Feier noch einiges vorbereiten.
Am Ende der Haupttreppe ging es nach links durch einen engen Gang, der in einen Vorraum so schmal wie ein Handtuch mündete. Der Herzog konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er sich umwandte und die verwirrten Gesichter seiner Gäste bemerkte.
»Ich muss mich für meine Vorfahren entschuldigen. Auf jemanden, der wie Sie zum ersten Mal Blair Castle besucht, muss dieses Durcheinander aus Treppen, Fluren und Zimmern sehr verwirrend wirken. Glauben Sie mir, man findet sich schneller hier zurecht, als sich auf den ersten Blick erahnen lässt. Aber gleich haben wir es geschafft und Sie können sich in Ihren Gemächern ausruhen. Dies hier ist übrigens das Glenlyon-Vestibül. Dort« – er deutete auf eine Tür zu seiner Rechten – »befinden sich die Ban-vie-Zimmer, deren Mobiliar Königin Victoria einst benutzte, als sie auf dem Schloss verweilte.«
»Oh!«, hauchte Rebekka verzückt. »Hoffentlich haben Sie für uns etwas Bescheideneres vorgesehen, John.«
Das Lächeln des Herzogs war schwer zu deuten. »Ich denke, wir haben da eine Zimmerflucht, die für Brautleute wie geschaffen ist. Hier entlang bitte.«
Sie durchquerten das Vestibül. Anschließend bog der Gang um fünfundvierzig Grad nach rechts ab. Auf eine Tür zu seiner Linken deutend machte der Herzog auf einen weiteren Treppenturm aufmerksam, den er persönlich nur selten benutze, weil er ihm viel zu eng sei. Nach einem neuerlichen Fünfundvierziggradknick, diesmal wieder nach links, gelangten der Herzog und seine Begleiter endlich in jenen Teil des Schlosses, der die Hochzeitsgemächer beherbergte.
Als sie die Tür zu den besagten Zimmern erreichten, schnaufte der Herzog, als hätte er gerade einen ganzen Klafter Holz gehackt.
»Dieses Haus ist einfach zu groß für mich.«
»Es ist wirklich exorbitant!«, pflichtete ihm David bei. »Kommen Sie und Katherine sich hier nicht völlig verlassen vor?«
Der Herzog lachte. »Das würden wir bestimmt! Aber vielleicht ist Ihnen der niedrigere Gebäudetrakt an der Westfront des Schlosses, gleich hinter dem Uhrenturm, aufgefallen. Dort wohnen Katherine und ich. Das Haus ist nicht nur übersichtlicher als das Hauptgebäude, sondern auch erheblich komfortabler. Diesen alten Kasten hier benutzen wir nur noch für repräsentative Zwecke.«
»Und zur Unterbringung Ihrer Gäste.«
»Genauso ist es. Ich hoffe, die Gemächer sagen Ihnen zu. Wir mussten noch ganz kurzfristig umdisponieren. Meine Gemahlin hatte eigentlich darauf bestanden, das jung vermählte Paar im blauen Schlafzimmer unterzubringen. Es liegt ein Stockwerk tiefer, dicht bei der Haupttreppe, womit wir Ihnen die Odyssee durch unser Schlosslabyrinth hätten ersparen können, aber leider hat es dort heute Morgen ein kleines sanitäres Problem gegeben, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Der Herzog gab dem Bediensteten einen Wink, worauf dieser die schwere Tür aufstemmte.
»Ich kann es mir ungefähr vorstellen.«
Mit ausgestrecktem Arm lotste der Herzog seine Gäste in die Zimmerflucht, die Rebekka einen neuerlichen Laut der Verzückung entlockte.
»Dies hier ist das so genannte Derby-Ankleidezimmer. Wenn ich es mir recht überlege, geben die Derby-Räume sowieso viel bessere Hochzeitsgemächer ab als das blaue Schlafzimmer unten.«
Rebekka glaubte das unbesehen. Das Ankleidezimmer war ganz in Weiß gehalten. Das Mobiliar bestand fast ausschließlich aus hellem Ginsterholz. An den Wänden hingen Bilder der Isle of Man und den Boden bedeckten mehrere Lagen von Perserteppichen. Rechts konnte man durch eine offen stehende Tür bereits einen Blick in das Schlafgemach erhaschen, das der Herzog als Nächstes ansteuerte.
Auch dieser Raum schmeichelte dem Auge mit hellen freundlichen Tönen und gediegenem Mobiliar. David spürte, wie sich Rebekkas Griff an seiner Hand festigte, als ihr Blick auf das hohe Himmelbett fiel. Die cremefarbenen Bettvorhänge waren kunstvoll bestickt und die indoportugiesische Zierdecke mit pastellfarbenen Blumenmotiven geschmückt. Kommoden, kleine Nebentische, Stühle, eine Wanduhr und sogar eine Bank waren
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