Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
wurde in einer sehr sachlichen, für den Anlass viel zu ernsten Atmosphäre abgewickelt. Mit je einer großzügig bemessenen Pfundnote bedankte sich David bei den Trauzeugen, die es eilig hatten, nach draußen zu kommen, um sich dem Trauerzug anzuschließen. Dann bezahlte er auch den Schmied und nahm die Heiratsurkunde in Empfang. Hiernach schlüpften sie wieder in ihre unauffällige Reisekleidung und verabschiedeten sich vom Schmied.
»Schade, dass Sie nicht auf mich gehört haben. Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Glück«, sagte der Schotte.
»Schon gut. Sie brauchen sich nichts vorzuwerfen. Leben Sie wohl, Mr Arbuthnot.«
Davids und Rebekkas Abschied vom Ort ihrer Trauung glich einer heimlichen Flucht. Wenn sie nicht im Voraus eine Limousine für die Rückfahrt nach Ballinluig reserviert hätten, wären sie vermutlich nicht einmal aus Aberfeldy weggekommen. Das Abschiednehmen von diesem Jungen namens Jonathan Jabbok schien die Menschen hier ganz und gar zu beanspruchen.
Als das Automobil sich langsam an dem Trauerzug vorbeizwängte, erhaschte das Paar noch einen letzten Blick auf die Trauergemeinde.
Alte und junge Leute begleiteten das Pferdefuhrwerk.
Einige liefen besonders dicht bei dem Sarg, als hätten sie einst zu den Vertrauten des Fortgegangenen gehört. Da gab es einen kleinen rothaarigen Jungen mit einem Hund, den Flöte spielenden Hirten, neben dem Kutschbock einen hoch gewachsenen schlanken Mann mit bronzefarbener Haut sowie die drei Alten darauf. Einer von ihnen war bestimmt schon achtzig, die anderen beiden – darunter auch der, den der Chauffeur als den Lord identifizierte – mochten fünfzehn oder zwanzig Jahre jünger sein. Erst jetzt bemerkte David, dass diese beiden schneeweiße Rosen in der Hand hielten, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte: Sogar die Stängel und Dornen waren bleich wie Kalk. Vermutlich gehörte auch das zu den hiesigen Bestattungsbräuchen.
Als der Trauerzug hinter einer Straßenbiegung zurückblieb, atmete Rebekka erleichtert auf. Sie schmiegte ihren Kopf eng an Davids Arm und er streichelte ihr rabenschwarzes Haar. Nach einem tiefen Atemzug meldete sie sich zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder zu Wort.
»Puh! Irgendwie habe ich mir meine Hochzeit immer ganz anders vorgestellt. Hoffentlich haben wir Recht und nicht der Schmied.«
»Wie meinst du das, Liebes?«
»Na, seine Bemerkung mit dem bösen Vorzeichen. Er hat mir damit wirklich einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
Nur mit knapper Not erreichten David und Rebekka den Zug nach Blair Atholl. Als sie erst einmal in dem rumpelnden und ratternden Waggon saßen, fiel die bedrückende Stimmung des eigenartigen Trauerzuges schnell von ihnen ab. Schließlich waren sie jung vermählt. Während draußen die wilde Landschaft vorüberzog, hatten sie drinnen nur Augen füreinander. Sie neckten sich und scherzten. Ab und zu hauchte Rebekka ihrem Prinzen etwas ins Ohr, was bei ihm jedes Mal eine wohlige Gänsehaut heraufbeschwor, bei ihr aber meist in einem hellen Kichern endete. Hin und wieder knabberte sie auch an seinem Ohrläppchen, was ihn nur um so stärker in Erregung versetzte.
Eine ältere Dame im Abteil räusperte sich vernehmlich.
»Wir haben gerade geheiratet«, sagte Rebekka mit vorgeschobenem Kinn. »In Aberfeldy.«
Das schien von der pikierten Dame zumindest strafmildernd anerkannt zu werden, denn sie schaffte es, ein Lächeln herauszudrücken und »Herzlichen Glückwunsch!« zu sagen.
»Danke«, antwortete das Paar im Chor. Dann beschäftigte sich Rebekka wieder mit Davids Ohr.
Bis zur nächsten Etappe ihrer Reise waren es nur etwa fünfzehn Meilen. Nach Davids Geschmack hätten es auch ruhig ein paar mehr sein können. Aber die innige Zweisamkeit mit diesem engelsgleichen Wesen an seiner Seite begann ja gerade erst. Sie würden noch viel Zeit haben, um einander zu erkunden.
Was würde sie wohl auf Blair Castle erwarten?
David wusste, dass Hirohito während seiner Europareise auch dem Schloss des Herzog von Atholl einen Besuch abgestattet hatte. In einem Brief hatte er einmal angedeutet, wie unvergesslich die Begegnung mit dem schottischen Aristokraten und seiner Gemahlin gewesen sei. Was genau hatte der Prinzregent sich nur für sie ausgedacht?
Bald tauchte das Dorf Blair Atholl hinter einer weiten Linkskurve auf.
Zu ihrer Verwunderung wurden sie bereits am Bahnhof erwartet. Ein Chauffeur in schwarzer Uniform wollte wissen, ob sie Mr und Mrs Newton seien, und als sie bejahten, fragte
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