Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
mit der gleichen scheinbaren Zufälligkeit in dem großen Zimmer verteilt wie die Pflanzen und Ruheplätze in einem englischen Garten.
Die zwei Fenster des Schlafzimmers boten einen herrlichen Rundblick auf den Park des Schlosses. David und Rebekka konnten sich in diesem Moment nichts vorstellen, was ihrem Glück noch gefehlt hätte. Arm in Arm ließen sie ihren Blick über die Wiesen nach Norden schweifen, wo sie in einiger Entfernung den Wald von Atholl sehen konnten. Unter ihnen, an der Rückseite des Schlosses, befand sich ein viereckiger Fest- und Exerzierplatz, auf dem eine muntere Schar von durcheinander laufenden Hochländern im Kilt zu sehen war.
Fast so, als wäre es ihm unangenehm, das stille Glück des Brautpaares zu stören, fragte der Herzog: »Sind Sie zufrieden?«
»Im siebten Himmel, John!«, schwärmte Rebekka.
»Warten Sie erst einmal ab, was nun kommt!« Der Herzog hob viel sagend den Zeigefinger und griente von einem Ohr zum anderen. Ben, der Diener, öffnete unterdessen wieder eine Tür, die – nur unterbrochen von dem schon bekannten Flur – auf eine weitere zuführte.
Dorthin deutete John Stewart-Murray jetzt mit der Hand und verkündete mit großen Augen: »Diese Überraschung wollte ich mir bis zum Schluss aufbehalten. Hier entlang bitte. Sie können sich vorstellen, dass es vor sechshundertfünfundfünfzig Jahren, als man den Grundstein zu dieser Burg hier legte, noch kein fließend warmes und kaltes Wasser auf den Gemächern gab, geschweige denn so etwas wie ein Wasserklosett – entschuldigen Sie den Ausdruck.«
»Schon gut«, antwortete David und folgte, seine erwartungsvolle Frau an der Hand, dem Hausherren auf den Flur hinaus. Der Herzog von Atholl stieß mit großer Geste die gegenüberliegende Tür auf und deutete, unübersehbar stolz, in ein Badezimmer.
David und Rebekka schoben sich an ihm vorbei, um diese »modernste Sanitäreinrichtung« von Blair Castle zu bewundern. Nur im Stockwerk darunter gebe es noch eine ähnlich ausgestattete Zimmerflucht, erklärte der Herzog, aber die sei ja aus den angedeuteten Gründen gerade nicht verfügbar. Im Laufe des kommenden Tages müsste das Problem allerdings behoben sein, und wenn es das Paar wünsche, ließe sich dann noch ein Umzug arrangieren.
»Wir sind mit diesen Räumen vollauf zufrieden. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, John«, sagte David und versuchte sich sein Erstaunen nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
»Es ist ein Traum!«, stieß Rebekka ergriffen hervor, während ihre Augen das Badezimmer in allen Einzelheiten erforschten. Dieses war ein Raum so groß, wie ihn in London manch sechsköpfige Familie nicht zum Leben hatte. Fußböden und Wände waren mit venezianischen Fliesen verziert, die Wasserhähne glänzten golden. Vor der gegenüberliegenden Wand, unter dem Fenster, stand eine riesige runde Badewanne.
»Wenn es Ihnen gefällt, freue ich mich«, sagte der Herzog in aller Aufrichtigkeit. »Dann möchte ich Sie nicht länger mit meiner Anwesenheit belästigen, in« – er zog seine Taschenuhr aus der Jacke, ließ den Deckel aufspringen und blickte blinzelnd auf das Zifferblatt – »gut einer Stunde wird Ihr Hochzeitsmahl beginnen. Ich hoffe, das reicht Ihnen, um sich frisch zu machen.«
»Vollauf, John.« David machte eine halbe Drehung, hob beide Hände und deutete mit den Zeigefingern nach links und rechts. »Wie war das noch gleich? Wenn wir aus dem Zimmer kommen, müssen wir da entlang, stimmt’s?« Er deutete nach rechts.
Der Herzog trat auf den Gang hinaus und lachte. »Ganz richtig. Durch das Vestibül zum Hauptaufgang und dann zwei Stockwerke nach unten. Wenn Sie den Turm gleich rechts nehmen, kommen Sie zum Schlossgespenst. Aber keine Angst, ich lasse Sie rechtzeitig von Ben abholen. Abgesehen von den beiden tapferen Kofferträgern dort ist er der Einzige, der Sie im Augenblick hier finden würde.«
David und Rebekka folgten dem ins Schlafzimmer deutenden Arm des Herzogs, wo sich die beiden Bediensteten befanden, die in dem Handgemenge um das Gästegepäck obsiegt hatten. Der Herzog und sein Gefolge verabschiedeten sich und mit einem Mal waren David und Rebekka allein.
Die junge Braut zog ihren frisch gebackenen Ehemann an der Hand ins Schlafzimmer zurück und ließ die Tür hinter ihnen ins Schloss fallen. Dann schob sie sich ganz dicht an ihn heran, umschlang ihn mit den Armen und legte den Kopf in den Nacken, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. »Sag bloß, du hast das alles
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