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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einer Ahnung zu erblicken, was hier eigentlich gespielt wurde.
    Während John Stewart-Murray gerade dabei war, seinen Verwalter mit der Einrichtung verschiedener Bankkonten zu beauftragen, auf die Davids Vermögen transferiert werden sollte, drang plötzlich vom Gang ein aufgeregtes Stimmengewirr ins Zimmer.
    »Was ist denn da draußen los?«, fuhr der Herzog seinen Verwalter an, der in rechtschaffener Ahnungslosigkeit die Handflächen von sich streckte.
    Als es an der Tür klopfte und der Herzog »Herein!« gerufen hatte, wartete ein Offizier der Leibwache mit einer bösen Überraschung auf: »Das Dienstpersonal hat gerade zwei Eurer Gäste gefunden, Mylord.«
    Der Herzog blickte verwirrt auf David und Rebekka, die für ihn im Augenblick die einzigen Gäste waren, die ihn wirklich interessierten. »Was soll das heißen, sie haben sie ›gefunden‹?«, wandte er sich dann an den Offizier.
    Dem Uniformierten stand ins Gesicht geschrieben, wie unangenehm ihm diese Pflicht war. Er versuchte seine eigene Betroffenheit durch eine stramme Haltung zu überspielen. »Es handelt sich um das Ehepaar Smail, Mylord. Sie liegen beide tot in ihren Betten.«
    »Die Schnecken!«
    »Mylord?«
    »Schon gut, Colonel. Gehen Sie schon einmal voraus. Ich komme gleich nach, um mir selbst ein Bild zu machen.«
    Nachdem der Offizier den Raum verlassen hatte, ließ der Herzog zornig die Faust auf den Tisch krachen, dass die Tassen klirrten. »Die haben sich bestimmt totgefressen.«
    »John!«, schnappte seine Gattin entsetzt. »So etwas sagt man nicht, selbst nicht bei einem solchen Pack wie den Smails.«
    Die Kaltschnäuzigkeit des Herzogs war nur eine Maske, hinter der er seine Betroffenheit verbarg. David hatte ihn längst durchschaut. Vorsichtig fragte er: »Könnte ich sie sehen?«
    Der Herzog hob verwundert die Augenbrauen. »Wen, die Schnecken?«
    »Sie sind tot, John! Warum sprechen Sie so abfällig von ihnen? Immerhin haben Sie sie auf Ihrem Fest tanzen lassen.«
    »Nur weil sie zur Familie gehören. Der Clan muss zusammenhalten, auch wenn Einzelne wie die Smails diese Tradition immer wieder weidlich ausnutzen…« Der Herzog verstummte jäh, als sei ihm sein barscher, wenig pietätvoller Ton erst jetzt bewusst geworden. Mit mahlenden Kiefern blickte er auf die Teetasse vor seiner Nase. Als er David wieder in die Augen sah, wirkte er wie umgewandelt. Zerknirscht murmelte er: »Ich hätte sie nicht so schäbig behandeln dürfen. Die Smails waren zwar eine Landplage – aber das haben sie nicht verdient.«
    »Sie hören sich fast an, als würden Sie sich für ihren Tod verantwortlich fühlen. Aber dazu haben Sie keinen Grund, John, Ich denke, ein Besuch im Schlafzimmer der Smails wird Ihre Selbstvorwürfe zerstreuen. Kommen Sie, ich begleite Sie.«
    John Stewart-Murray schüttelte sich, als habe er gerade ein ausgesprochen unappetitliches Bild vor Augen. »Ist bestimmt kein angenehmer Anblick, sie so verendet auf ihrem Bett zu sehen.«
    »Schlimmer als das, was ich im Krieg erlebt habe, kann es auch nicht sein. Ich möchte die Leichname aus einem ganz bestimmten Grund ansehen. Sie erinnern sich doch noch, was ich Ihnen über den Tod meiner Angehörigen erzählt habe?«
    »Was denn, glaubst du etwa…?«
    David nickte. »Haben Sie die Smails nicht in genau der Zimmerflucht einquartiert, die Sie zuvor Rebekka und mir geben wollten?«
    »Das blaue Schlafzimmer. Natürlich! Aber das hieße ja, dieser Negromanus wusste ganz genau, wo er euch zu suchen hatte.«
    Diesmal ersparte sich David das Nicken. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter, als er an die nächtliche Begegnung mit Negromanus denken musste. Deshalb hatte der Schemen also so lange gebraucht, um in dem Treppenturm aufzukreuzen. Beim Zusammenstoß mit David mussten die Smails bereits tot gewesen sein. Aber warum hatte Negromanus dann überhaupt den runden Turm aufgesucht, wenn doch die schmale Treppe, gleich beim blauen Schlafzimmer, ein viel schnellerer und auch sicherer Fluchtweg für ihn gewesen wäre? David hatte nur eine Erklärung dafür: Negromanus musste seinen Irrtum bemerkt haben, nachdem es für die Smails schon zu spät war.
    Auf dem Weg zum Tatort versuchte sich David mit dem Umstand zu beruhigen, dass der Schemen ihn sowieso erkannt hatte. Mit Schaudern erinnerte er sich noch der grünlich phosphoreszierenden Augen, die auf den Ring an seiner Brust gestarrt hatten. Nein, Negromanus war keinesfalls im falschen Glauben geflohen sich seines Erzfeindes entledigt zu

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