Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
doch inzwischen unser Familienmotto, David: Furth Fortune and Fill the Fetters, ›das Glück erzwingen und Gefangene machen‹. Ich habe immerhin achthundert Highlander, die mir zur Verfügung stehen. Du kannst mir glauben, mein Junge, sie sind ein sehr wirksames Mittel das Glück bei der Stange zu halten.«
David fuhr sich mit den Fingern durch das Haar und seufzte. »Also gut, ich werde Ihnen meine Geschichte erzählen und danach können Sie entscheiden, ob Sie mir immer noch helfen wollen. Erst möchte ich jedoch zu Rebekka. Sie hat gerade Furchtbares durchgemacht. Ich möchte, dass sie bei mir ist, wenn wir alles besprechen.«
Der Herzog nickte. »Selbstverständlich. Dann schlage ich vor, wir treffen uns in einer Viertelstunde im Teesalon. Er befindet sich gleich hier rechts.« Er deutete auf die betreffende Tür. »Ich lasse euch von Colonel MacRhynie abholen, damit er euch nach unten geleitet. In der Zwischenzeit sorge ich für einen kleinen Imbiss. Krisen machen mich immer unheimlich hungrig.«
Wenig später saßen David, Rebekka und der Herzog von Atholl im Teesalon des Schlosses. Es war ein helles gemütliches Zimmer mit einem geblümten Teppich, rotbraunen Geschirrschränken, gepolsterten Sitzmöbeln, einer leise tickenden Standuhr und den obligatorischen Ölschinken an der Wand. Die Herzogin war nicht zugegen – John Stewart-Murray hatte die Angelegenheit zur Chefsache erklärt und sogleich die oberste Geheimhaltungsstufe angeordnet.
David war inzwischen mit sich übereingekommen, seinem Gönner eine verkürzte Fassung der Familienchronik zu geben. Es hatte keinen Sinn, dem Herzog Geschichten von verselbstständigten Schatten aufzutischen. Wenn er ihm von einer weitreichenden Verschwörung eines Geheimzirkels berichtete, der schon etliche Morde verübt hatte, dann musste das genügen. Bei der Erwähnung seiner fruchtlosen Bemühungen, dem Kreis der Dämmerung auf die Spur zu kommen, machte der Herzog plötzlich einen bemerkenswerten Einwurf.
»Warum konzentrierst du dich nur auf den Kopf des Drachen, wenn du ihn doch viel leichter am Schwanz packen könntest?«
David stutzte. »Wie meinen Sie das?«
»Na, dieser Toyama, vor dem sich selbst der japanische Prinzregent zu fürchten scheint – wenn ich dich richtig verstanden habe, ist er ein führendes Mitglied in dem Geheimbund. Hast du noch nie die Redewendung gehört: ›Die Kleinen hängen sie, die Großen lassen sie laufen‹? Wenn du dieser geheimen Bruderschaft auf die Schliche kommen willst, dann musst du ihre schwächste Stelle finden. Du hast gesagt, sie korrumpieren und manipulieren Menschen auf der ganzen Welt, um ihren ›Jahrhundertplan‹ voranzutreiben. Ich will jetzt nicht davon reden, dass es mir schwer fällt, an eine so gewaltige Verschwörung zu glauben, aber an deiner Stelle würde ich nach einer Hintertür Ausschau halten. Wenn es dir gelingt, einen der Helfer des Zirkels zu finden, dann kannst du über ihn womöglich an die eigentlichen Drahtzieher gelangen.«
David nickte still vor sich hin. Der Vorschlag klang vernünftig. Seine Suche in den historischen Quellen war zwar nicht völlig vergebens gewesen. Er konnte sich inzwischen fast sicher sein, dass ein – vielleicht sogar ein und derselbe – Großmeister des Geheimzirkels schon seit Jahrhunderten im Verborgenen sein Unwesen trieb. Das hatte ihm den Ernst der Lage, die ganze Tragweite dieser Verschwörung vor Augen geführt. Dennoch besaß er, abgesehen von ein paar vagen Vermutungen bezüglich des rubingeschmückten Siegelrings, so gut wie keine Handhabe gegen den Kreis der Dämmerung, keine Waffe, die er zur Niederschlagung des Jahrhundertplans hätte einsetzen können. Vielleicht sollte er wirklich seine Strategie ändern, so wie der Herzog es empfohlen hatte.
Es fiel David schwer, den Faden wieder dort aufzunehmen, wo er ihn bei Johns Unterbrechung verloren hatte. Manche Ereignisse seines Lebens streifte er nur noch kurz, entweder weil er sie für zu nebensächlich oder, aus Sicht seines Zuhörers, für zu unglaubwürdig hielt. In Bezug auf seine Abstammung schenkte David dem Herzog reinen Wein ein. Er erzählte sogar, dass Jeff, sein Vater, einst der Sohn eines Silberschmieds gewesen und erst später vom Earl of Camden adoptiert worden war. Der Herzog hatte Edward George, Geoffreys Adoptivvater, gekannt und sehr geschätzt, ebenso wie Großonkel Francis. Jetzt war er umso entschlossener, dem jüngsten Earl of Camden zu helfen.
Während im Osten die Sonne
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