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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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selbst ein zappelndes Bündel im Arm zu halten, wurde auch nicht gerade kleiner, während die Zeit verstrich.
    Bei aller Offenheit, die David sonst gegenüber seiner Frau pflegte, verschwieg er ihr doch in diesem Punkt seine innersten Gedanken. Er machte sich schon genug Sorgen um Rebekka, da wollte er nicht auch noch um das Leben eines Kindes bangen. Vermutlich erwarteten sie unruhige Zeiten. Mitsuru Toyama konnte nicht ewig mit ihm Versteck spielen. Früher oder später musste er sich verraten. Dann würde David ihn jagen. Und ihn zur Strecke bringen.
    Für ihn war Toyama zumindest mitschuldig am Tod seiner Eltern. Der Lieblingsjünger Lord Belials hatte damals, im Winter 1913, versucht die ganze Familie Camden auszulöschen. Ohne ihn hätte Davids Vater vielleicht noch viele Jahre leben können. Zweifellos hatte Toyama aber die Informationen weitergegeben, die Negromanus schließlich halfen das mörderische Werk zu vollenden. Und jetzt litten David, Rebekka und bald vielleicht sogar ihre Kinder unter Toyamas Niedertracht. Nein, er würde zwar eine Chance bekommen sich zu verteidigen, aber mit Gnade konnte er bei David nicht rechnen.
    Während die Monate ins Land strichen, entstand wieder eine feste Beziehung zum Time-Magazin in den USA. Den Auftakt hierzu hatte Davids erster, auf eigene Faust verfasster Artikel über die Geheimgesellschaft Schwarzer Drache gegeben. Zwar behielt David seinen Status als freier Mitarbeiter, aber Hadden hatte bei Luce wieder alle Vorbehalte ausgeräumt und nun nahmen die beiden jeden seiner Artikelentwürfe an, wenn sie auch manche erst nach einer für David schmerzhaften Überarbeitung veröffentlichten. Inzwischen bediente sich der inoffizielle Japankorrespondent des Magazins sechs verschiedener Pseudonyme. Nur Hadden und Luce wussten, dass ihre vielen Nachrichtenlieferanten in Japan tatsächlich nur aus einem einzigen Mann bestanden.
    Der erste – wenn auch noch inoffizielle – Auslandskorrespondent von Time erlebte in Japan eine Zeit tief greifender Veränderungen. Weltweit war der Aufschwung der Industrialisierung ins Stocken geraten. In Großbritannien lähmte 1926 ein Generalstreik beinahe die ganze Industrie und die meisten öffentlichen Verkehrsmittel. In London mussten angeblich wieder viele mit dem Kahn über die Themse rudern, wenn sie zur Arbeit kommen wollten. Der Streik verschärfte die ohnehin schon tiefe Spaltung der englischen Klassengesellschaft. Selbst in den Vereinigten Staaten, deren Wirtschaft aus dem Großen Krieg sogar Kapital geschlagen hatte, kriselte es. Es verwundert daher nicht, wenn auch Japan die entzweienden und radikalisierenden Auswirkungen zu spüren bekam, die fast immer zu beobachten sind, wenn die Menschen sich um den Rest vom Wohlstandskuchen zu streiten beginnen.
    Mit Besorgnis berichtete David über den erstarkenden Nationalismus und die damit einhergehende Militarisierung des Landes. In der Armee herrschte Unruhe. Das Militär war gewohnt verhätschelt zu werden. Warum verlangten nun mit einem Mal nichts ahnende Zivilisten den Etat zu kürzen? Etwa nur weil sich die allgemeine Wirtschaftslage verschlechterte? Absurd! Sollten doch die anderen den Gürtel enger schnallen. Unter den jungen Offizieren wurden aufrührerische Stimmen laut. Immer häufiger grassierten Gerüchte von bevorstehenden Putschversuchen. Nicht gegen den Kaiser – der war über alle Zweifel erhaben –, aber gegen jene unbesonnenen Politiker, denen augenscheinlich der Patriotismus abhanden gekommen war.
    Das sich einer kritischen Größe nähernde Nationalgefühl Japans wurde noch von außen angeheizt. In der außerolympischen Disziplin des Patriotismus waren die Vereinigten Staaten nämlich Weltspitze. Einige ihrer Leistungsträger, vornehmlich Kongressabgeordnete europäischer Abstammung, hatten eine Gefahr erkannt. Auf Hawaii und an der amerikanischen Westküste lebten ganze Kolonien von Japanern. Weil aber sogar in den USA der wirtschaftliche Aufschwung abebbte, musste vor den Räubern von Arbeitsplätzen gewarnt werden.
    Auf irgendeine Weise gelang es den Bedenkenträgern herauszufinden, dass vor allem von solchen Ausländern eine Bedrohung ausging, deren Hautfarbe nicht weiß war. Gelb zählte zu den besonders bedenklichen Farben. Auf einigen Gemüseplantagen in Kalifornien kam es zu Prügeleien zwischen Weißen und Gelben. Mit Quoten wurde festgelegt, aus welchen Ländern wie viele Immigranten ins Land gelassen werden sollten. Die Quote für Asiaten lag bei exakt

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