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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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uns nicht verpassen«, antwortete Rebekka.
    Ungeduldig ließ David die Einreiseformalitäten über sich ergehen. Hätte in seinem Pass noch Tokyo als Geburtsort gestanden, wäre es wohl etwas schneller gegangen, aber nun reisten sie wieder als das schottische Ehepaar Murray.
    Sobald sie an Land gegangen waren, suchte David ein Postamt auf, von dem aus er telefonieren konnte. Immer wieder wählte er Yoshis Anschluss, aber keiner hob ab. Als die Dame am Schalter ungeduldig wurde, weil die Öffnungszeit schon um ganze zwei Minuten überschritten war, gab er schließlich auf.
    Vor dem Amt hob er die Schultern und blickte enttäuscht in Rebekkas Gesicht. »Es hat keinen Zweck. Vielleicht ist er gerade auf dem Weg nach Hause. Versuchen wir es später noch einmal.«
    Mit dem Zug legten sie die kurze Strecke nach Tokyo zurück. Sie kamen genau in den Feierabendverkehr. David hatte im Stadtteil Nishi-Ikebukuro ein Zimmer in einem kleinen Hotel gebucht, das hauptsächlich von einheimischen Geschäftsleuten genutzt wurde. Sobald sich das Gepäck auf dem Zimmer befand, versuchte er von der Hotelhalle aus erneut Yoshi zu erreichen. Wieder nahm niemand ab.
    Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Yoshi war sehr zuverlässig. Wenn er eine Verabredung nicht einhalten konnte, dann hinterließ er gewöhnlich eine Nachricht. Oder er schickte jemand anderen. Aber sich nicht zu melden, das war einfach nicht seine Art. Allmählich machte sich David Sorgen.
    Als die Abendsonne sich bereits dicht über dem Horizont befand, sagte David zu Rebekka: »Lass uns ein Taxi nehmen und zu Yoshis Haus fahren.«
    »Du denkst doch nicht, ihm könnte etwas zugestoßen sein?«
    »Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, Schatz. Er hat in letzter Zeit intensiver als je zuvor nach Toyama gefahndet. Vielleicht ist der Kopf des Schwarzen Drachens ihm dabei auf die Schliche gekommen.«
    David hätte das Taxi am liebsten auf Flügeln getragen, während es sich durch das Straßengewirr von Nordwesten her auf das Kojimachi-Viertel zuquälte. Nach dem großen Erdbeben von 1923 waren zwar viele der vom Feuer zerstörten Holzhäuser durch steinerne Bauten ersetzt worden, aber das Stadtbild hatte davon wenig profitiert. Die neuen Gebäude waren nicht nur hässlicher als die traditionellen Häuser und Hütten, sie standen auch noch in derselben, ja, vielleicht sogar in schlimmerer Unordnung durcheinander als ihre leicht brennbaren Urahnen.
    Yoshi bewohnte noch das Haus seiner Eltern, das von der Katastrophe verschont geblieben war. Der schnurrende schwarze Wagen, ein bejahrter Ford T, wich mit erstaunlicher Wendigkeit anderen Automobilen sowie Fußgängern und Rikschas aus. Abseits der großen Verkehrswege konnte man gelegentlich sogar noch Pferdekutschen sehen. Als die »Tin Lizzie« endlich die namenlose Straße westlich des Kaiserpalasts erreichte, war die Sonne untergegangen.
    David bezahlte den Fahrer und half Rebekka aus dem Wagen. Das Grundstück des Grafen Ito lag friedlich in den Schatten der Abenddämmerung. Nirgendwo brannte Licht.
    »Zu friedlich«, murmelte David.
    »Was hast du gesagt?«, erkundigte sich Rebekka.
    »Diese Stille gefällt mir nicht. Da, sieh doch, die Pforte ist offen.« David deutete auf die besagte Stelle neben dem Haus, von wo aus man direkt in den Garten gelangen konnte.
    »Vielleicht hat Yoshi sie mit Absicht offen stehen lassen, weil er damit rechnete, dass wir hier aufkreuzen«, sagte Rebekka.
    »Das werden wir gleich wissen. Komm!«
    David nahm Rebekka bei der Hand und betrat den Garten. Gemeinsam schritten sie einen kiesbestreuten Weg entlang, der um das Holzhaus herumführte. Abgesehen von einem künstlichen Wasserlauf, den es früher noch nicht gegeben hatte, sahen die Anlagen genauso aus wie vor zwanzig Jahren.
    »Da drüben befindet sich die Terrasse«, sagte David leise und deutete in die entsprechende Richtung. »Pass auf, dass du nicht stolperst. Die Wege hier sind der Natur nachempfunden – das heißt, man kann sich schnell einen Knöchel verstauchen.«
    Weil es schon fast kein Tageslicht mehr gab, kamen sie nur langsam voran. Als sie endlich die Rückseite des Hauses erreichten, fiel ihnen sogleich die offen stehende Terrassentür auf. Genau genommen war es eine verschiebbare Wand aus Reispapier.
    »Du bleibst besser hier draußen«, sagte David und legte seine Hand an die Seite, wo er unter dem weiten Hemd sein wakizashi trug.
    »Aber ich möchte lieber bei dir bleiben.«
    »Bekka! Bitte, nicht jetzt. Tu, was ich dir

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