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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verschlimmert. Vermutlich wären sie in einer Zelle gelandet und bald selbst mit einer Klinge im Leib entdeckt worden. Der Kopf des Schwarzen Drachens besaß tausende von Spitzeln und willfährigen Handlangern. Nein, sagte sich David voll bitterem Gram, dieses Werk musste er allein verrichten. Wieder brachte ihn Rebekkas leise Stimme in die Wirklichkeit zurück.
    »Seitdem du Negromanus auf Blair Castle verstümmelt hast, hat es keinen dieser Todesfälle mehr gegeben, bei denen die Rücken der Opfer so seltsam verkrümmt waren. Wäre es möglich, dass er verblutet ist?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du hast doch erzählt, wie sein Lebenssaft aus ihm herausgeschossen ist. Die roten Flecken waren ja überall zu sehen.«
    »Blau.«
    »Was?«
    »Sein Blut war hellblau.«
    Rebekka stützte sich auf Davids Brust, um in der Dunkelheit nach seinen Augen zu suchen. »Davon hast du mir gar nichts erzählt.«
    »Wirklich nicht? Ich muss wohl damals zu aufgeregt gewesen sein. Aber es stimmt wirklich: Sein Blut war nicht rot, sondern so blau wie der Himmel heute Mittag über dem Meer.«
    »Eigentlich logisch«, sagte Rebekka nach einem Moment des Nachdenkens.
    »Was soll daran logisch sein?«
    »Dein Vater beschreibt doch in seinem Diarium, wie sich Negromanus von Lord Belial gelöst hat. Er ist sein Schatten.«
    »Und ein ziemlich lebendiger obendrein – aber was hat das mit himmelblauem Blut zu tun?«
    »Cyan.«
    »Was bedeutet das nun schon wieder?«
    »Cyan – du nennst es Himmelblau – ist die Komplementärfarbe von Rot. Wenn man beide Töne mit dem Pinsel mischt, dann kommt Schwarz heraus.«
    »Tatsächlich? Jetzt verstehe ich, warum du das folgerichtig findest. Belial ist wirklich eine ziemlich dunkle Person.«
    »Nicht nur das. Als er sich von Negromanus trennte, sagte er, sie seien in diesem Zustand kaum mächtiger als Menschen. Mit Sicherheit würde Belial wie jeder normale Mensch rotes Blut vergießen, wenn du ihn mit deinem Schwert verletzt. Aber wenn sich die beiden jemals wieder vereinen, dann kommt dabei Schwarz heraus.«
    »Schwarzes Blut? Abscheulich!«
    »Schwarz kann auch für das Nichts stehen: kein Blut also, weil Belial kein menschliches Wesen ist.«
    »Das heißt, ich muss seiner habhaft werden, bevor er sich wieder mit Negromanus vereinen kann.«
    »Und das wird ihm nicht gelingen, solange du seinen Ring um den Hals trägst.«
    Davids Hand wanderte unwillkürlich zu dem schweren Schmuckstück. Wie oft hätte er es schon am liebsten zerstört oder ins Meer geworfen, aber solange er nicht das Geheimnis der zwölf Ringe kannte, wäre das womöglich eine nicht wieder gutzumachende Dummheit. Vielleicht würde er Belial damit sogar einen Dienst erweisen, weil er eine wertvolle Waffe gegen den Schattenlord aus der Hand gab. David ließ den Ring wieder los und streichelte über Rebekkas warme Haut.
    »Morgen früh machen wir uns auf den Weg nach Iyo-Saijo.« Das war der Ort, der auf Yoshis geheimer Nachricht gestanden hatte. Allein der Gedanke an den toten Freund ließ David erneut erzittern. Er fühlte, wie die Tränen zurückkehrten. Und wie Rebekkas sanfte Hände ihn erneut zu trösten begannen.
    Iyo-Saijo war dem Vernehmen nach ein winziges Nest auf Shikoku, der kleinsten der japanischen Hauptinseln. Es gab mehrere Möglichkeiten, das Gebirge im Meer zu erreichen – genau das war Shikoku nämlich: ein fast sechstausendfünfhundert Fuß hohes Massiv im Pazifischen Ozean. David und Rebekka entschieden sich für eine Seereise. Weil die vier Hauptinseln alle untereinander durch einen regelmäßigen Schiffsverkehr verbunden waren, bereitete es keine große Schwierigkeit, zwei Fahrkarten zu bekommen. Der Mann am Schalter hatte gesagt, das Schiff würde für die ungefähr dreihundertsechzig Seemeilen etwa achtzehn Stunden benötigen. Deshalb buchte David eine Kabine mit zwei Kojen.
    Nachdem sie an Bord gegangen waren, verstauten sie ihr weniges Gepäck unter Deck. David vergewisserte sich noch einmal, dass ein zufällig hereinschauender Steward nicht zufällig seine beiden Schwerter sehen konnte. Dann führte er Rebekka wieder hinauf an die frische Luft. Beide hatten seit der Entdeckung ihres toten Freundes am vergangenen Abend noch nichts gegessen. Als das kleine Fährschiff auf offener See war und ihnen der frische Meereswind eines wolkenverhangenen Sommertages in die Gesichter blies, wich allmählich das flaue Gefühl aus Davids Magen.
    Er saß mit Rebekka auf einer Bank des Oberdecks. Sie hielt seinen Leib

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