Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Mensch kannte ihn als Person, seine Lebensgeschichte und seine Bestimmung so genau wie sie. Gedankenaustausch war für sie längst nicht allein auf Worte beschränkt. Ein unmerkliches Aufleuchten in Rebekkas jettschwarzen Augen gab David die Antwort, nach der er suchte.
Er atmete tief durch. »Also gut, Brit. Ich werde dir mehr erzählen. Nicht alles, das will ich dir nicht verschweigen, aber genug, um dich wissen zu lassen, wie sehr wir beide dich schätzen. Und vielleicht kannst du uns ja wirklich helfen.«
In einem etwa einstündigen Monolog, der nur ab und zu von knappen Zwischenfragen Haddens unterbrochen wurde, erzählte David seine Geschichte, so wie er sie zuvor auch John Stewart-Murray, seinem jetzigen Adoptivvater, anvertraut hatte. Im Falle des Time-Herausgebers legte er dabei besonderes Gewicht auf jene Aspekte, die bei einer Suche nach dem Kreis der Dämmerung nützlich sein konnten. Als David endlich schloss, war Brit sichtlich aufgewühlt.
Eine ganze Weile musterte er David schweigend, als könne er dadurch den Wahrheitsgehalt des eben Gehörten abwägen. Dann holte er tief Luft und sagte: »Das ist wirklich starker Tobak! Ein Jahrhundertplan zur Vernichtung der Menschheit. Wenn ich dich nicht kennen würde, müsste ich annehmen, du hättest dir das alles gerade erst ausgedacht.«
»Ich wünschte, so wäre es, Brit. Aber leider…«
Hadden hob die Hand. »Schon gut, ich glaube dir. Du schleppst diese Bürde ja schon ewig mit dir herum. Das ist mir nicht entgangen. Sei mir nicht böse, wenn ich der Meinung bin, dass dieser Kreis der Dämmerung ein Haufen schizophrener Fanatiker ist, aber leider macht ihn das nicht harmloser. Auch einflussreiche Männer sind gegen fixe Ideen nicht immun. Warum sollten nicht ein paar von ihnen Attentate befohlen und vielleicht sogar den einen oder anderen Krieg angezettelt haben?«
David nickte. »Große Menschen lösen große Ereignisse aus.«
Brit musste lächeln. »Du hast von Henry und mir viel gelernt. Ich will versuchen dir zu helfen.«
»Sei bitte vorsichtig, Brit. Ich habe dir erzählt, was einigen meiner Wohltäter passiert ist.«
»Ich fürchte mich nicht vor schwarzen Schatten, Francis – oder sollte ich besser David sagen?«
»Im Moment genügt Francis vollauf. Trotzdem: Behalte bitte alle Einzelheiten unseres heutigen Gesprächs für dich. Lass meinetwegen deine Nachrichtenfänger, Reporter und Redakteure nach einem Kreis der Dämmerung fahnden, aber es ist besser für sie, wenn sie nicht zu viel wissen.«
»Schon gut, Francis, ich habe verstanden.« Brit lächelte Rebekka aufmunternd zu, bevor er sich wieder an David wandte. »Was wollt ihr beiden jetzt tun? Hier in New York bleiben? Du weißt, bei Time steht immer ein Schreibtisch für dich bereit.«
»Darüber sind wir uns selbst noch nicht ganz im Klaren, Brit. Eigentlich bin ich nur hierhergekommen, damit Toyama meiner Elfe hier nichts antun kann.« David lächelte Rebekka zu und streichelte ihre Wange. »Aber sobald ich von meinem Verbindungsmann in Tokyo erfahre, wo ich den Kopf des Schwarzen Drachens finden kann, werde ich wieder nach Japan zurückkehren.«
»Hm.« Brit rieb sich das Kinn. »Ich hätte da eine Idee.«
David hob die Augenbrauen. »Und die wäre?«
»Du weißt ja, unsere Finanzdecke ist inzwischen wesentlich stärker als noch vor zwei Jahren. Henry und ich haben deshalb – nicht zuletzt wegen der guten Erfahrungen mit dir – darüber nachgedacht, ob wir nicht ein Korrespondentennetz aufbauen sollen. Was uns vorschwebt, wäre ein erster Stützpunkt in Chicago. Wie wär’s, hättest du Lust?«
»Chicago«, murmelte David. »Dort würde uns so schnell keiner finden. Vielleicht sollte ich unter einem neuen Namen auftreten.«
»Ist das nicht die Stadt, in der Al Capone und seine Männer mit Maschinengewehren arglose Leute beim Spaghettiessen stören?«, entsetzte sich Rebekka.
David musste lächeln. »Meistens gehören seine Opfer einer rivalisierenden Bande an, Schatz. Wir sind für ihn höchstens potenzielle Kunden für seinen illegalen Schnaps, und solche erschießt man nicht.«
»Francis hat Recht«, pflichtete Brit bei. Er begann zusehends Gefallen an seiner Idee zu finden. »Überleg doch mal: der erste offizielle Time-Korrespondent. Dein Mann wäre ein Pionier, Rahel.«
»Das ist er sowieso«, versetzte sie, wohl wissend, dass die Sache ohnehin schon beschlossen war.
Unter dem Namen Hulburd trug sich am 2. Februar 1929 ein junges Ehepaar in das
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