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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entlarven zu können. Aber seit Davids Geburt begreife ich immer mehr, wie unmöglich das ist. Der Russisch-Japanische Krieg, all die Attentate – was hätte ich schon dagegen tun können?«
    »Willst du damit sagen, diese Ereignisse haben alle eine gemeinsame Ursache? Aber Geoffrey! Wie kannst du nur glauben, ein Einzelner oder auch eine Organisation könne so mächtig sein die ganze Welt in Unordnung zu bringen?«
    »Ich sage gar nichts mehr«, entgegnete Davids Vater wie ein trotziges Kind. »Ich bringe uns dadurch alle nur in Gefahr.«
    In den Tagen nach dem kanname-sai führte David das Dasein eines Geheimagenten. Er beobachtete. Wann immer nötig, machte er im Geiste Notizen. Er wusste, es hatte keinen Zweck, den Vater nach der Ursache der gedrückten Stimmung im Haus zu fragen, selbst mit der Gabe der Wahrheitsfindung nicht. Davids Überredungskunst taugte weder zum Auskundschaften der Wirklichkeit noch zum Ablenken von derselben, sondern nur zu ihrem Erkennen. Aber das brauchte sein Vater am allerwenigsten. Nichts anderes als das Bewusstsein einer dunklen, bedrohlichen Wahrheit war der Grund, aus dem sein Schweigen erwuchs.
    Und Mutter konnte nichts sagen, weil sie nichts wusste.
    Für Yoshi war die Gesellschaft Schwarzer Drache keine Bedrohung, sondern ein geheimnisvoller Heldenverein zur Rettung des bushido. Ihr vorsätzlichen Mord zuzutrauen entzog sich seinem Vorstellungsvermögen. Wenn jemand auf Anraten der Amur-Gesellschaft seppuku beging, dann musste er auch etwas auf dem Kerbholz haben.
    Am Abend des 27. Oktober klopfte Yukio an die Pforten von New Camden House. Draußen war es längst dunkel geworden und immer wieder gingen Regenschauer über Tokyo nieder. Arthur, der Butler, schälte den Freund der Familie aus seinem triefenden Mantel und führte ihn in den Salon. Dann benachrichtigte er die Herrschaften, die gerade beim Dinner saßen.
    Yukios ganzes Auftreten hatte den sonst immer sehr zurückhaltenden Diener beunruhigt, denn als er die Anwesenheit des Grafen Ito meldete, lag in seinem Gesicht ein alarmierter Ausdruck. Geoffrey warf sofort die Serviette auf das Tischtuch und lief aus dem Raum. Maggy und David folgten ihm dichtauf.
    »Was ist geschehen?«, begrüßte Geoffrey den Freund.
    Yukio vergaß für einen Moment die Traditionen seines Landes und zeigte Gefühle. »Sie haben meinen Oheim ermordet!«
    »Du meinst…?« Blankes Entsetzen malte sich auf Geoffreys Gesicht.
    Yukio nickte schwach. »Hirobumi Ito wurde gestern in Harbin von einem gewissen An Chung-gun erschossen.«
    »Harbin?«, fragte Maggy, die den verstörten Mann zu einem Stuhl bugsierte und den noch in der Tür stehenden Butler nach heißem Tee schickte.
    »Das liegt in Nordchina«, erwiderte Yukio. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Der Attentäter gehört einer koreanischen Unabhängigkeitsbewegung an. Ist das nicht eine seltsame Ironie des Schicksals, Maggy-chan? Gerade meinen Oheim, der von Anfang an gegen die Annexion Koreas war und sich immer für eine Verbrüderung unser beider Länder eingesetzt hat, mussten sie umbringen. Weißt du, was sein letzter Ausruf gewesen sein soll? Baka na yatsu!«
    »Was für ein Narr!«, wiederholte Geoffrey die Worte in Englisch. Er zog sich einen zweiten Stuhl heran, hauptsächlich, um seine zitternden Beine zu entlasten. »Denkst du auch, was ich denke, Yukio?«
    Der Japaner sah seinen Freund aus schmerzerfüllten Augen an, antwortete jedoch nichts.
    »Erinnerst du dich noch an den Empfang letztens, zwei Tage vor der Abreise deines Oheims?«
    »Du glaubst, Mitsuru Toyama hat etwas mit seinem Tod zu tun?«
    »Ich habe inzwischen einige Erkundigungen über ihn eingezogen. Er ist ein sehr mächtiger Mann!«
    »Ich weiß nicht. Sein ›gut gemeinter Rat‹ an Oheim Hirobumi hatte zwar wie eine Drohung geklungen, aber…«
    »›Es gibt für mich noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen‹«, ging Geoffrey dazwischen. Seine Augen glänzten wie im Fieberwahn. »Lauteten so nicht Toyamas Abschiedsworte? Ich glaube, jetzt weiß ich, was er damit gemeint hat. Er ist seelenruhig aus dem Ministerium spaziert und hat dann einige seiner Kontakte spielen lassen, um sich für das ablehnende Verhalten Hirobumis zu revanchieren. Für die Welt sieht es jetzt so aus, als hätten koreanische Freiheitskämpfer deinen Oheim ermordet. Aber ich glaube nicht daran.«
    Alle, einschließlich David, sahen Geoffrey erstaunt an. »Dafür haben wir keinerlei Beweise«, wagte schließlich Yukio zu

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