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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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widersprechen.
    »Die wirklich großen Verschwörungen werden immer erst zu spät erkannt«, murmelte Geoffrey.
    Maggy, die nicht wusste, wen sie zuerst trösten sollte, fragte: »Was wird deine Familie jetzt tun, Yukio?«
    Der zuckte müde die Achseln. »Mein Oheim soll ein Staatsbegräbnis bekommen. Weiter denke ich im Moment nicht. Danach wird wohl das Leben weitergehen wie bisher.«
    Geoffrey schnaubte verächtlich. Yukios Nachricht hatte ihn zu sehr erschüttert, um einfach so zur Tagesordnung überzugehen. Maggy legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, bevor sie sich wieder dem Freund zuwandte.
    »Es ist irgendwie ungerecht, dass ein so bedeutender Mann einfach sang- und klanglos von der Bühne des Lebens gehen muss. Möchtest du Tee?«
    Yukio nickte. Gerade hatte Arthur, der Butler, ein silbernes Tablett auf ein rundes Tischchen gestellt und war von Maggy wieder hinausgeschickt worden. Sie reichte dem Neffen des Hingeschiedenen eine Tasse und versorgte auch ihren stumm vor sich hin brütenden Mann sowie sich selbst mit dem dampfenden Getränk. David ging leer aus.
    Nach einem ersten vorsichtigen Schluck schlich sich ein Lächeln auf Yukios Gesicht. Es wirkte noch etwas unfertig. »Euch als meinen Freunden kann ich es ja sagen: Hirobumi Ito war leider nicht nur ein geschickter Staatsmann, sondern auch ein Aufschneider und Schwerenöter. Ich weiß noch, wie er einmal lachend dichtete: ›Trunken ruht mein Kopf im Schoße einer Schönheit; erfrischt erwacht ergreife ich die Zügel der Macht.‹ Ich zweifle daran, dass man diesem Menschen Schreine bauen wird.«
    Maggy sah verlegen zu David hin. Yukios freizügige Art, über das Liebesleben seines Vaterbruders zu sprechen, gehörte zu den für sie unverständlichen Sitten ihres Gastlandes. Sie hatte sich immer nach Kräften bemüht ihren Sohn vor dieser Lebenseinstellung zu schützen. Als David noch kleiner war, konnte es vorkommen, dass man mit der Kutsche durch eine Straße fuhr und unvermittelt neben einem Käfig anhalten musste, in dem eine splitternackte Prostituierte saß. Andernorts lief einem möglicherweise ein dampfender Mann im Adamskostüm über den Weg, der gerade aus dem Badehaus heimwärts strebte, über dem Arm seine säuberlich zusammengefalteten Kleider. Obwohl die japanische Regierung sich bemühte, solches Brauchtum mit Rücksicht auf die Europäer und Amerikaner einzuschränken, gab es für diese doch noch immer genügend Anlässe sich schockiert zu fühlen.
    Für David war die etwas andere Beziehung der Japaner zur eigenen Körperlichkeit längst etwas Alltägliches. Dafür hatte schon Yoshi gesorgt. Nun sah er den Vater seines besten Freundes an, blickte dann zum eigenen hinüber und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Gab es wirklich diese dunklen Mächte, deren Wirken der Vater überall zu erkennen glaubte? Oder wurde dieser langsam verrückt? Hitos Vater verlegte immerhin auch ab und zu seinen Verstand. Vielleicht gehörte das ja zum Älterwerden.
    Wenn man wie der neunjährige David noch nicht über ein solches Arsenal von Erfahrungen verfügt wie, sagen wir, ein Neunzigjähriger, dann mag es ziemlich schwierig sein, die lähmenden Geschosse des Lebens abzuwehren. Als daher Yoshis Vater an diesem Abend New Camden House verließ, blieb nicht nur ein deprimierter Earl zurück, sondern auch ein verwirrter und verängstigter David.

 
    Verfolgt
     
     
     
    Im Alter von zehn Jahren endete Hirohitos Generalamnestie für alle kindlichen Kapriolen. Schon vorher war ihm die Ausgelassenheit anderer Kinder fremd gewesen, nun lehrte ihn General Nogi die Vorteile eiserner Disziplin.
    Diese Umstände erschwerten die konspirativen Treffen zwischen David und seinem zierlichen Freund, sowohl im Kaiserpalast wie auch im Gakushuin. Von nun an sahen sich die beiden nur noch selten. Zum Glück hatte David noch Yoshi. Der war ein Energiebündel sondergleichen, obwohl das seine Beleibtheit nicht auf Anhieb erkennen ließ. Im Spiel mit ihm vergaß David manchmal sogar die beunruhigenden Stimmungsschwankungen seines Vaters.
    Es gab Tage, an denen war Geoffrey ein freundlicher, weltoffener Diplomat und zu Hause ein liebevoller Ehemann und Vater – eben so, wie man ihn kannte und seit langem schätzte. Dann wiederum konnte Davids Vater in tiefe Verzweiflung stürzen, wenn er aus der Zeitung oder durch eine Depesche von neuen Nachrichten erfuhr, die sein merkwürdiges Verständnis von den treibenden Kräften im Räderwerk der Welt zu bestätigen schienen.
    Er

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