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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gefährlichste Mann im ganzen Land.«
    Nicht sehr viel später an diesem Abend kehrte der Earl of Camden in ziemlich desolatem Zustand nach Hause zurück. Bei seinem Botschafter hatte er sich entschuldigt: ein Anfall von Migräne. Furchtbare Schmerzen! Es täte ihm Leid.
    Maggy merkte sogleich, dass mehr dahinter steckte. Als Geoffrey New Camden House betrat, empfing sie ihn im Entree. Weder sie noch Geoffrey ahnten, dass weiter oben auf der geschwungenen Treppe ihr Sohn Posten bezogen hatte.
    David war kurz zuvor aus dem Schlaf hochgeschreckt. Ein böser Traum hatte ihm eingeflüstert, sein Vater sei in Gefahr. Um die Trockenheit im Mund zu vertreiben, beschloss er in die Küche zu schleichen und ein Glas Milch zu trinken. Dabei hörte er die Stimmen in der Eingangshalle.
    »Was ist mit dir, Geoffrey? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Vielleicht habe ich das, Maggy. Komm ins Arbeitszimmer. Ich möchte nicht, dass jemand vom Personal uns hört.«
    David spürte in diesem Augenblick, dass etwas Schreckliches geschehen war. Die Furcht hatte seinen Vater wieder gefunden und hielt ihn nun in ihren kalten Klauen fester als je zuvor. Leise schlich er die Treppe hinab zur Tür des Arbeitszimmers. Seine Eltern waren soeben dahinter verschwunden. Unter Nichtachtung sämtlicher Vorschriften spähte er durchs Schlüsselloch. Dies war ein Notfall. Er hatte seinem Vater geschworen ihn zu beschützen. Und nun, das spürte David, brauchte dieser ihn.
    Geoffrey hatte sich gerade erschöpft in den Schreibtischsessel sinken lassen. Maggy stand neben ihm, den Arm um seine Schulter gelegt. »Was ist passiert, Liebling?«, fragte sie besorgt.
    David drückte das Ohr gegen das Schlüsselloch, damit er nichts verpasste.
    »Ich bin auf dem Empfang Mitsuru Toyama begegnet«, sagte Geoffrey.
    »Etwa dem Prinzipal dieser Amur-Gesellschaft?«
    »Genau dem. Er ist ein sehr ›unangenehmer Zeitgenosse‹ – so hat Yukio ihn beschrieben.«
    »Und deshalb bist du so außer dir? Da gibt es doch noch etwas, das dich bedrückt. Ich habe es schon damals bemerkt, als wir im Kaiserpalast waren. Und David auch. Willst du es mir nicht verraten?«
    »Vor David kannst du sowieso nichts geheim halten. Manchmal habe ich das Gefühl, der Junge sieht mir bis auf den Grund meiner Seele…«
    »Und was er dort findet, benutzt er dann, um dir irgendwelche Zugeständnisse abzuringen. Ich weiß, Liebling, mir geht es genauso mit ihm. Aber das ist nicht die Antwort auf meine Frage. Wovor fürchtest du dich, Geoffrey?«
    »Ich bin Mitsuru Toyama schon einmal begegnet. Vor langer, langer Zeit. Eigentlich ist das unmöglich, denn er scheint in all den Jahren überhaupt nicht gealtert zu sein, aber ich bin mir ganz sicher.«
    »Wäre es nicht denkbar, dass du seinen Vater kennst? Der Tenno hatte doch den Namen erwähnt. Warte mal…«
    »Teruzo. Teruzo Toyama. Ich kenne den Namen genau, Maggy. Er ist seit damals in mein Gedächtnis eingebrannt wie ein hässliches Mal.«
    »Es war in England, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Hat es etwas mit dem Teil deiner Vergangenheit zu tun, über den du nie sprechen wolltest?«
    »Maggy!« David bemerkte den flehentlichen Klang in der Stimme seines Vaters. »Als wir uns das Jawort gaben, haben wir eine Vereinbarung getroffen. Ich sagte dir, dass es dunkle Punkte in meinen jungen Jahren gibt – aber nichts, was Gott nicht verzeihen würde –, und du hast versprochen die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen.«
    »Das habe ich nicht vergessen, Geoffrey. Aber nun hat sich die Situation geändert. Wir haben einen Sohn und ich glaube, dass deine Furcht eine berechtigte Ursache hat. Wenn es etwas gibt, das unserer Familie schaden kann, dann müssen wir gemeinsam versuchen die Gefahr abzuwenden. Es hat mit diesem Toyama zu tun, das stimmt doch, oder?«
    Geoffrey nickte mit schwerem Haupt. »Du hättest seine Worte heute hören sollen, als wir mit Hirobumi Ito zusammenstanden. Wenn du mich fragst, dann hat er dem Prinzen ganz offen gedroht, aber Yukio meinte, das sei nichts als Wichtigtuerei. Einschüchterung gehöre zu den Geschäftsprinzipien der Gesellschaft Schwarzer Drache.«
    »Und – verstehe mich bitte nicht falsch – was hat das mit uns zu tun?«
    »Ich fürchte, ich weiß, was dieser Toyama bezweckt, aber ich kann gar nichts dagegen tun. Als wir beide hierher nach Japan kamen, tat ich es nicht nur, weil dieses Land mich seit meinen Jugendtagen fasziniert hat. Ich glaubte auch, eine gewaltige Verschwörung

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