Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Das holte Yukio nun nach.
»Ich möchte Euch noch einmal dafür danken, dass Ihr meinem Sohn die Budo-Ausbildung ermöglicht habt«, sagte Geoffrey, nachdem der förmliche Teil der Begrüßung absolviert war.
Der asiatisch kleine Prinz wirkte einen Moment verwirrt, aber nachdem ihm sein Neffe etwas ins Ohr geflüstert hatte, begannen seine listigen Augen zu leuchten. Er nickte generös und antwortete: »Entschuldigt, wenn ich nicht sogleich darauf kam, Mylord, aber die Jahre meiner vierten Amtszeit als Premier dieses Landes liegen schon etwas zurück. Es ist mir eine Ehre, dem seiki no ko diesen Dienst erwiesen zu haben. Ich hoffe, Euer Sohn gedeiht wie die Reisschösslinge, denen unser heutiges kanname-sai gewidmet ist.«
»Vielen Dank, Euer Hoheit, er macht sich ausgezeichnet. Ich hoffe, ihm wird einmal ein so erfülltes Leben wie das Eure vergönnt sein.«
»Ihr seid ein Schmeichler, Mylord – also wohl auch ein geschickter Diplomat. Aber lasst Euch gesagt sein, solange ich noch das Herz einer Frau höher schlagen lassen kann, solange will ich mich auch für mein Land verwenden. Es gibt noch so viel zu tun. In Korea, in der Mandschurei – schon übermorgen reise ich in offizieller Mission nach Nordchina.«
»Dann wünsche ich Euch, dass Eure Erwartungen sich erfüllen.«
»Sie sollten besser von den Perspektiven Nippons reden als von denen eines alten Mannes«, drängte sich mit einem Mal eine neue Stimme in das Gespräch.
Geoffrey schreckte zusammen. Schlagartig wurde ihm kalt, gleichzeitig begann er zu schwitzen. Mit steifem Hals drehte er den Kopf und blickte in das Antlitz eines ungewöhnlich großen Japaners. Er hatte dieses maskenhafte Gesicht schon einmal gesehen, vor vielen Jahren, in einer anderen Zeit.
»Toyama-san«, sagte Hirobumi Ito verärgert. »Was soll dieses ungehörige Benehmen? Seht Ihr nicht, dass ich mich unterhalte?«
»Verzeiht«, entgegnete der große Mann und machte mit seinen in weißen Handschuhen steckenden Pranken eine beschwichtigende Geste. Dabei lächelte er eher belustigt als reumütig. »Hier drin ist die Sicht so schlecht, da muss mir dieses Detail entgangen sein. Wer ist dieser Ausländer, dass Ihr mit ihm die politischen Pläne Nippons erörtert?«
Erst jetzt blickte Mitsuru Toyama in das Gesicht des englischen Earls. Obwohl seine Miene ausdruckslos blieb, blitzte in seinen Augen Verachtung. Oder gab es da noch mehr? Vielleicht Erkennen? Nein, unmöglich. Im Laufe eines Vierteljahrhunderts hatte Geoffrey sich verändert, war nun größer, etwas kräftiger und trug einen Vollbart.
Dennoch durchlebte er einen langen Moment der Furcht. Äußerlich unterdrückte er noch das Zittern, vor dem er im Innern längst kapituliert hatte. Aber dann wandte sich der »Kopf« der Gesellschaft Schwarzer Drache wieder dem Prinzen Ito zu. Geoffrey atmete auf. Er war für Toyama nur ein Gaijin, ein Barbar unter vielen anderen in diesem Haus.
»Ich hörte, Hoheit, in der Mandschurei gäbe es Widerstand gegen Nippons Protektorat«, sagte Toyama zu dem fast siebzigjährigen Politiker, weil seine letzte Frage unbeantwortet geblieben war. Obwohl seine Züge ein Lächeln andeuteten, tänzelte auf seiner Stimme ein spöttischer Unterton. »Wenn Ihr die Chinesen genauso mit Samthandschuhen anfasst wie die Koreaner, dann werden sie bald auf unseren Kaiser spucken. Ich fürchte fast, die Patrioten in unserem Lande werden eine solche Befleckung des Göttlichen nicht zulassen. Sagt das den Chinesen, wenn Ihr dort seid. Vielleicht hilft es ihnen zu erkennen, dass ein wenig mehr Dankbarkeit für Nippons Schutz durchaus angebracht wäre.«
»Ich danke Euch für Euer Interesse an meiner Mission«, antwortete Ito unterkühlt. »In der Vergangenheit konnte ich für unser Land so manchen Kompromiss erringen. Ich dürfte inzwischen gelernt haben, wie man eine Verhandlung führt.«
»Es war nur ein gut gemeinter Rat.« Mitsuru Toyama verbeugte sich in Richtung der beiden Landsleute. Geoffrey ignorierte er. »Doch nun entschuldigt mich. Ich bin ein ruheloser Geist, von meinen Geschäften hierhin und dorthin getrieben. Es gibt für mich noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen.«
»Ein unangenehmer Zeitgenosse«, sagte Yukio, nachdem Toyama im blauen Dunst verschwunden war.
Geoffrey erwiderte nichts. Er war nicht in der Lage dazu.
»Meinetwegen kann er so penetrant sein, wie er will«, antwortete Hirobumi Ito mit düsterer Stimme. »Aber Mitsuru Toyama ist außerdem noch gefährlich. Vielleicht der
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