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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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an »Metzger« oder »Elefant« gedacht. David war klar, dass er den Bogen überspannt hatte. Enttäuscht ließ er den Kopf hängen. »Entschuldigen Sie bitte, Herr Andrae. Ich dachte, es wäre ein guter Einfall, aber…«
    »Ihnen liegt wirklich sehr viel an dieser Sache, nicht wahr?«, unterbrach ihn der Wissenschaftler. Sonderbarerweise klang er nun überhaupt nicht mehr grob, sondern eher verständnisvoll.
    David hob verlegen den Blick. »Ich habe mich ihr mit Haut und Haaren verschrieben.«
    Andrae schüttelte den Kopf »Sie müssen mir unbedingt erzählen, was Sie so an der Geschichte dieses Jason fesselt.«
    David sah ihn mit großen Augen an. »Nichts lieber als das! Ich…«
    »Aber nicht jetzt!«, fiel ihm Andrae mit abwehrender Geste erneut ins Wort. »Kommen Sie. Ich geleite Sie hinaus und wir überlegen gemeinsam, wie wir in dieser Angelegenheit weiterkommen.«
    David glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Geradezu benommen ließ er sich von Walter Andrae auf die babylonische Prozessionsstraße hinausführen, in Richtung des zentralen Oberlichtsaales. Während sie zwischen bräunlich gelben Löwenreliefs hindurchgingen, erörterten sie verschiedene Möglichkeiten, die Suche nach den »Tränen« zu beschleunigen. Davids Blick streifte über eine der Hauptattraktionen des Museums, das Ischtar-Tor, dessen blau glasierte Ziegel mit den darin eingebetteten Drachen- und Löwenmotiven eine seltsame Wirkung auf ihn ausübten. Unmittelbar vor dem Torbogen blieb er abrupt stehen.
    »Was ist?«, fragte Andrae überrascht.
    Den Kopf im Nacken, die Augen auf das blaue Ziegeldach gerichtet murmelte er: »Wenn das Tor reden könnte.«
    Andrae blickte nun ebenfalls zum Torbogen hinauf. »Das meiste davon ist nur Rekonstruktion.«
    »Aber nicht alles.«
    Der Archäologe musterte David fragend. »Wie meinen Sie das, Herr Pratt?«
    »Na, eine ganze Anzahl Ziegel sind doch echt. Womöglich ist einmal Alexander der Große unter ihnen hindurchgegangen. Oder auch Fürst Belial. Irgendwie sind diese Steine für mich – ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – lebendige Erinnerungen. Könnte nur einer von ihnen laut genug sprechen, erführen wir vielleicht sämtliche Geheimnisse dieser Bruderschaft vom Ende des Sonnenkreises.«
    »Bei Ihrem Gerede läuft es einem ja kalt den Rücken hinunter, Herr Pratt. Kommen Sie, da geht’s lang.«
    Andrae führte seinen Besucher durch das Ischtar-Tor hindurch weiter zum Ausgang. Doch nach wenigen Schritten blieb nun plötzlich der Forscher stehen.
    »Ist Ihnen etwas eingefallen?«
    Der Archäologe lächelte unsicher. »Manchmal ist das komisch mit mir: Da werden zwei oder drei Worte gesagt und mit einem Mal entsteht in meinem Kopf ein ganzes Bild.«
    »Wem sagen Sie das! Ich habe ständig solche Assoziationen. Ihr Bild passt nicht zufällig zu Jasons Geschichte?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht habe ich mich von Ihren Phantastereien einfach nur anstecken lassen. Sie sagten mir neulich, unser lieber Bücherwurm aus Heidelberg habe Ihnen erzählt, dieser ominöse Fürst Belial pflegte sich mit seinen Schergen regelmäßig an einem bestimmten Ort zu treffen, und zwar genau dort, wo die Sonne am Horizont untergeht.«
    David nickte. »Was Dr. Fresenius gleich darauf als Humbug bezeichnete, weil es einen solchen Ort ja in Wirklichkeit nicht gebe.«
    »Vielleicht doch.« In Andraes Augen lag ein listiges Funkeln.
    »Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter. Woran denken Sie?«
    »An Herodot von Halikarnassos.«
    »Den griechischen Geschichtsschreiber? Fresenius hat ihn auch einmal erwähnt.«
    »Für seine Zeit – er lebte im fünften Jahrhundert vor Christus – war Herodot ein sehr reiselustiger Mann. Er besuchte auch Babylon und besichtigte dessen legendären Turm, vielmehr das, was Xerxes I. noch von ihm übrig gelassen hatte. Ich erinnere mich sehr gut an eine bestimmte Stelle aus Herodots Aufzeichnungen: ›Außen um den Turm herum führt eine Wendeltreppe nach oben‹, schreibt er. Auf halber Höhe befinde sich ein Ruheplatz mit Bänken.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
    »Sie sprachen von einer ›Bruderschaft vom Ende des Sonnenkreises‹. Herodot verwendet in seiner Beschreibung des Turmes von Babylon das griechische Wort kyklo. Es stammt von derselben Wurzel wie der Begriff…«
    »Kyklos!«, hauchte David. »Was ›Kreis‹ bedeutet.« Er blickte mit glasigen Augen starr vor sich hin. Genau wie bei den verschiedenen Namen des Geheimzirkels!
    Andrae nickte. »Diese

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