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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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für David die Frage, welche Rolle Papen in diesem Machtpoker spielte. Konnte dieser von den nun erforderlichen Neuwahlen profitieren? Die Strategie des Zentrumsabgeordneten blieb undurchschaubar. Ja, David wusste nicht einmal mit Sicherheit, ob Franz von Papen derselbe Mann war, der damals den Jahrhundertplan mit aus der Taufe gehoben hatte. Na gut, der »Kavallerieoffizier« war ehrgeizig, traf sich auch weiterhin mit Generalfeldmarschall Hindenburg, aber diese Verdachtsmomente waren zu schwach, um einfach in Papens Büro zu stürmen und das Problem mit einem japanischen Langschwert aus der Welt zu schaffen.
     
     
    Wöchentlich wurde David nun im Pergamonmuseum vorstellig. Und ebenso hartnäckig vertröstete man ihn. Herr Andrae habe ihn nicht vergessen, betonten jedes Mal die hübsche blonde Abfangdame und ihre Kolleginnen geduldig, aber weil das Museum im Oktober nun endlich die Pforten öffnen werde, sei der viel gefragte Mann derzeit einfach zu beschäftigt.
    Manchmal gelang es David, in der Deckung von Handwerkern durch das Spinnennetz der Aufsichtsdamen zu schlüpfen. Er war unter den etwas rauen Gesellen mittlerweile so bekannt wie ein bunter Hund und viele begrüßten ihn schon mit Namen.
    Diese relative Bewegungsfreiheit verdankte er einem Interview mit Friedrich Delitzsch, dem designierten Museumsdirektor, dem sehr an einer positiven Berichterstattung gelegen war. Sein Haus konnte einen wohlwollenden Artikel im Time-Magazin gut gebrauchen, spekulierte Delitzsch doch auf internationales Interesse und Ansehen. Es in einer Reihe mit dem Pariser Louvre oder dem Britischen Museum zu sehen war eine Aussicht, die ihn schwindeln machte und »zuvorkommende Behandlung für Herrn Pratt« verordnen ließ.
    Aus dem Ganzen entwickelte sich dann eine Art Versteckspiel zwischen dem Time-Reporter und dem rastlosen Archäologen, das zuweilen groteske Züge annahm. Nachdem David die von Andrae kontrollierten Abfangdamen im Foyer überlistet hatte, lauerte er dem nimmermüden Wissenschaftler wie ein Wegelagerer in den weitläufigen Ausstellungshallen auf Wenn Andrae sich näherte, trat David ihm in den Weg und nutzte die Schrecksekunde des anderen für seine Frage: »Haben Sie schon etwas über die lichten Tränen herausgefunden?«
    Auch Andraes Reaktion folgte dann jedes Mal demselben Muster. Zunächst runzelte er unwillig die Stirn, befreite sich stöhnend aus gedankenvoller Versenkung, setzte ein nachsichtiges Lächeln auf und entschuldigte sich höflich mit dem Versprechen, die gewünschten Auskünfte »so bald wie möglich« zu liefern. Schließlich verschwand er wieder mit wehenden Schößen hinter irgendeiner Vitrine und blieb bis zu Davids nächstem Überfall in der Versenkung. Meist dauerte es danach nicht lange und eine der »Spinnen« aus dem Foyer kam herbeigekrabbelt, um ihn wieder hinauszuschaffen.
    David wehrte sich gegen die ihm in dieser Angelegenheit aufgezwungene Passivität. Er besorgte sich archäologische Bücher über den vorderasiatischen Raum. Inzwischen wusste er so einiges über die Kunst der Glasherstellung im alten Mesopotamien und verschaffte sich auch einen umfassenden Einblick in den bald öffentlich zugänglichen Museumsbestand. Aber er stieß auf keine »Träne« oder irgendeinen anderen Gegenstand, den Jason mit seiner Metapher vielleicht gemeint haben könnte.
    Als er den Altertumsforscher wieder einmal stellte – in unmittelbarer Nachbarschaft der babylonischen Prozessionsstraße zwischen strategisch günstig positionierten Exponaten aus dem alten Assyrien –, überraschte er diesen mit einem Vorschlag.
    »Warum kann ich Ihnen nicht helfen?«
    »Wie bitte?« Andraes Gedanken befanden sich augenscheinlich noch in einer anderen Hemisphäre.
    »Ich verstehe ja, dass Ihnen mein Anliegen angesichts der Eröffnung des neuen Museums höchst nebensächlich erscheinen mag, aber Sie könnten mir doch gestatten, mich in Ihren Beständen umzusehen.«
    »Wissen Sie, was Sie da von mir verlangen, Herr Pratt?«
    David schwante nichts Gutes.
    Andrae begann seine Brille zu putzen, wohl um nicht gleich mit einer brüsken Antwort herauszuplatzen. »Wir haben einmalige Kunstschätze in unseren Archiven, unersetzbare Dokumente längst versunkener Kulturen. Manche dieser Objekte sind so zerbrechlich, dass man sie nur scharf ansehen muss und sie fallen schon auseinander. Meinen Sie wirklich, da lasse ich irgendeinen Reporter ran?«
    Walter Andrae hatte das Wort »Reporter« ausgesprochen, als habe er eher

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