Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
das ist Franz von Papen, ein Reichstagsabgeordneter der Zentrumspartei.«
Davids Knie wurden weich. Schlagartig wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Der Name stand im Diarium seines Vaters. Lord Belial hatte einen seiner Logenbrüder so genannt.
»Was ist mit Ihnen?«, fragte der Redakteur besorgt. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Ehrlich gesagt, ja«, gab David zu.
»Hier ist ein Stuhl, setzen Sie sich erst einmal. Wollen Sie einen Schluck Wasser?«
David nickte, und wenn auch nur, um einen Moment ungestört nachdenken zu können. Sollte dieser Franz von Papen derselbe Mann sein, der vor annähernd fünfzig Jahren an der Sitzung bei Tunbridge Wells teilgenommen hatte, dann fragte sich, was er kürzlich im Vatikan zu suchen gehabt hatte. Beim Gedanken an die gefährlichen Umtriebe von Toyama und Kelippoth, fiel ihm keine harmlose Antwort ein.
Als Lauser mit einem Glas Wasser in der einen und einem Zettel in der anderen Hand zurückkehrte, wollte David von ihm erfahren, was er über Papen wisse, aber der braunhaarige Mann war mit einem Mal merkwürdig kurz angebunden.
»In unserem Archiv werden Sie eine Menge Stoff über das Zentrum finden, aber ich kann Ihnen jetzt dazu nichts sagen.«
Weil der Zeitungsmann immer noch freundlich war, wagte David ihn nach dem Grund seiner plötzlichen Reserviertheit zu fragen. Lauser antwortete, er habe soeben vom Chefredakteur den Auftrag erhalten, einen Artikel für die Auslandsredaktion zu verfassen. Der dafür zuständige Kollege sei erkrankt, und weil er selbst früher einer »der Auswärtigen« gewesen sei, wolle der Chef eben, dass er, Lauser, nun diese Japangeschichte schreibe.
David ließ das Wasserglas wieder sinken, an dem er gerade nippen wollte. »Japan?«
Lauser nickte, hielt David den Zettel entgegen. Es handelte sich um ein Fernschreiben aus Tokyo. »Die Japaner haben mal wieder einen ihrer Politiker umgebracht. Diesmal sogar den Premierminister.«
In aller Eile überflog David die Meldung. Premier Hamaguchi war von einem »Patrioten« ermordet worden, der sich nicht mit den Zugeständnissen des Regierungschefs während der Londoner Flottenkonferenz hatte abfinden können. Mögliche Verbindungen zur Nikkyo-Gesellschaft seien nicht auszuschließen, hieß es in dem Telegramm.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte David kurz entschlossen. »Ich habe jahrelang für Time aus Japan berichtet. Wenn ich Ihnen eine exzellente Insiderstory schreibe, werden Sie mir dann etwas über Franz von Papen erzählen?«
Lauser zögerte nur kurz. Mit einem Lächeln auf den Lippen antwortete er: »Die Lokalredaktion ist so etwas wie mein Verbannungsort. Mit einem erstklassigen Artikel könnte ich mich für eine Rückkehr zu den Auswärtigen empfehlen.« Er nickte. »Also gut, ich nehme Ihr Angebot an.«
So wie die Eckpfeiler entscheidend sind für die Statik antiker Tempel, ruhte Berlin auf seinen Eckkneipen. Ob nun in Neukölln, Kreuzberg oder Tempelhof, überall zierten die Eingangstüren solcher Lokale den Schnittpunkt zweier Straßen, nicht zu verfehlen für jeden, den der Durst umtrieb. Das Wirtshaus Graf Zeppelin gehörte zu diesem Typus von Altberliner Kneipe. Es befand sich in Blickweite zum Tempelhofer Flugfeld. Bei einem Schultheiss-Bier plauderte Friedhelm Lauser munter über die Zentrumspartei im Allgemeinen und Franz von Papen im Besonderen.
Friedhelm war bester Laune, weil er mit Davids Artikel beim Chefredakteur ein dickes Lob eingeheimst hatte. Das war Anlass genug gewesen, dem amerikanischen Kollegen sogleich das Du anzubieten.
»Weißt du, David, dieser Papen ist eine ziemlich undurchsichtige Persönlichkeit. Katholik, Monarchist und Berufssoldat. Seine Karriere hat er als Militär begonnen. Bei Ausbruch des Krieges war er Militärattache in Washington. Aber die Amerikaner haben ihn der Spionage bezichtigt…«
»Ach was!«
Friedhelm nickte entschieden. »Ja. Papen wurde sogar unter dem Vorwurf der Sabotage nach Hause geschickt. Gegen Kriegsende gehörte er zum Generalstab der vierten türkischen Armee in Palästina. Nach dem Waffenstillstand ist er in die Politik gegangen. Seit 1921 gehört er als Reichstagsabgeordneter dem ultrarechten Flügel des katholischen Zentrums an.«
»Wie würdest du seinen Einfluss einschätzen, Friedhelm?«
»Der ist nur schwer zu beurteilen. Angeblich unterhält er die verschiedensten Kontakte zu Monarchisten, der alten Aristokratie, den allerhöchsten Geschäftskreisen und der Wehrmacht. Aber politisch ist er bisher kaum in
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