Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Erscheinung getreten.«
Ein Logenbruder Lord Belials, wie er im Buche steht: effizi ent und unauffällig. »Wie steht’s mit seinen Verbindungen zum Vatikan?«
Friedhelm zuckte mit den Schultern. »Anscheinend schätzt man ihn als frommen Mann des Glaubens bis in höchste Kreise der Kurie. Sonst ist mir nichts bekannt.«
»Kennst du jemanden, der mir mehr über ihn verraten könnte?«
»Warum fragst du ihn nicht selbst?«
David grinste wie ein Wolf. »Ich mache immer gründliche Recherchen, bevor ich mir ein Opfer vornehme.«
Friedhelm nickte. »Wie sich das gehört. Es gibt da aber jemanden, der dir vielleicht weiterhelfen kann, gewissermaßen ein Kollege von uns. Er heißt Edgar Jung. Ich schreibe dir seine Adresse auf.«
Friedhelm zog einen Stift aus der Brusttasche seines Hemdes, kritzelte die Anschrift des »Kollegen« auf den Rand eines Bierdeckels und gab ihn David. »Ich fürchte, das ist alles, was ich für dich tun kann.«
David lächelte den Redakteur dankbar an. »Es ist mehr, als ich erwartet hatte.«
Einige Tage später fand Davids erstes Treffen mit Edgar Jung statt. Schauplatz war ein Café in der Friedrichstraße, dem Rückgrat von Berlins wichtigstem Amüsier- und Geschäftsviertel. Rebekka hatte unbedingt mitkommen und den Stadtteil sehen wollen, in dem die großen Revuen beheimatet waren, Houdini im Wintergarten-Varieté die Leute verzauberte, einem auf Schritt und Tritt prominente Leute über den Weg liefen, es alles zu kaufen gab, man vor lauter Verkehrslärm das eigene Wort nicht verstand und das Überqueren der Fahrbahn einem Himmelfahrtskommando glich, also dorthin, wo das Herz Berlins schlug.
David konnte sich anfangs nur schwer auf das Gespräch mit Edgar Jung konzentrieren, weil er im Geist sah, wie Rebekka die Läden in der näheren Umgebung unsicher machte. Zum Glück redeten die beiden Männer während der ersten Minuten nur über Belanglosigkeiten wie Max Schmelings Weltmeisterschaftskampf vom 12. Juni gegen Jack Sharkey. Der Amerikaner hatte dem deutschen Boxidol einen Tiefschlag versetzt und war vom Ringrichter disqualifiziert worden.
»Hat Papen eigentlich einen Schwachpunkt?«, fragte David schließlich etwas unvermittelt, auf das Hauptthema abzielend.
Jung lächelte. »Sie meinen so etwas wie ein gläsernes Kinn? Dazu kenne ich Papen nicht gut genug. Die Geschichte damals in Washington ist für mich etwas dubios. Würde selbst gerne wissen, ob Papen ein Spion war. Wieso fragen Sie?«
»Denken Sie, Papen könnte nach den nächsten Reichstagswahlen in einem neuen Kabinett eine Schlüsselposition einnehmen?«
»Einen Ministerposten?« Jung schüttelte lachend den Kopf. »Also das würde mich schon sehr überraschen. Mit der Position eines Abgeordneten dürfte der Mann seinen politischen Zenit erreicht haben. Da müssten sich seine Freunde schon mächtig ins Zeug legen, um ihn noch höher zu hieven.«
»Wer zum Beispiel?«
Jung dachte einen Moment nach. »Wenn es stimmt, was ich gehört habe, dann ist er ein Liebling unseres Reichspräsidenten.«
»Paul von Hindenburg?«, entfuhr es David. »Ich habe ja schon gehört, dass Papen gute Kontakte haben soll, aber dass sie so hoch hinaufreichen…« Er musste den ehemaligen Kavallerieoffizier unbedingt eingehender unter die Lupe nehmen!
Edgar Jung schien Davids sorgenvoll-kritische Weltsicht durchaus zu teilen, deshalb wagte jener einen weiteren Schritt. Zwar erzählte er Jung noch nichts vom Kreis der Dämmerung, aber er ließ einige Andeutungen fallen, die jeden ernst zu nehmenden Publizisten hellhörig machen mussten. Als sich die beiden zwei Stunden später voneinander verabschiedeten, versprach Jung, sich näher an den Zentrumsabgeordneten heranzupirschen und David über die Ergebnisse seiner Erkundigungen auf dem Laufenden zu halten.
Während sich der Sommer in brütend heißen Tagen dahinschleppte, stöhnten die Menschen nicht nur über die Hitze, sondern vor allem über die anhaltende Wirtschaftskrise. Es waren Wochen, in denen sich Edgar Jung und Friedhelm Lauser einen Platz im Bruderschaftsteil von Davids Schattenarchiv eroberten und radikale Kräfte – allen voran die Nationalsozialisten – in der Gunst der deutschen Bevölkerung. Der Mann auf der Straße hatte wenig Verständnis für ein Parlament, dessen zahlreiche Fraktionen untereinander bis zur Handlungsunfähigkeit zerstritten waren. Als der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg kurzerhand das störrische Plenum auflöste, stellte sich
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