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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zurück.
    Abgesehen von dieser erfreulichen Entwicklung gingen aber an den Bewohnern des Hauses Richardplatz Nummer 4 die rauen Zeiten auch nicht spurlos vorbei. Am Vorabend einer Reichstagswahl kehrte Horst Lotter zu fortgeschrittener Stunde von einer Wahlveranstaltung der Kommunistischen Partei zurück – blutüberströmt. Ein SA-Trupp habe ihn so zugerichtet, erklärte er grinsend. »Jab ‘ne Riesenkeilerei.«
    Was Horst eher auf die leichte Schulter nahm, bereitete David zunehmend Sorge. Mit dem sich nähernden Wahl’ tag hatten die Schlägereien zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und Sozialdemokraten stark zugenommen. Natürlich war klar, welchen Zweck die Braunhemden mit ihren Übergriffen verfolgten: Die Menschen sollten eingeschüchtert werden.
    Der Plan schien aufzugehen. Am Sonntag, dem 14. September 1930, erzielte die Nationalsozialistische Partei Deutschlands erhebliche Stimmengewinne.
    Das Gift der Verunsicherung hatte sich nun auch im Leben von Rebekka und David breit gemacht. Man arrangierte sich gewissermaßen mit den Schlägertrupps, wollte von den politischen Auseinandersetzungen möglichst unbehelligt sein und richtete seinen Tag mit den notwendigen Besorgungen und dem Zeitvertreib nach dieser Maxime aus. Am Tag nach der Wahl wagten sich die beiden wieder einmal ins Kino, Die drei von der Tankstelle erlebten ihre Welturaufführung. Während sich Lilian Harvey, Heinz Rühmann und Willy Fritsch auf der Leinwand verausgabten, lachte Rebekka seit langem wieder einmal so, wie sie es früher bei Filmen von Charlie Chaplin oder Buster Keaton getan hatte. David genoss den bittersüßen Geschmack eines Augenblicks des Vergessens in einer unvergesslichen Zeit.
    Am nächsten Tag traf er sich wieder mit Edgar Jung. Der Publizist hatte sich näher an Franz von Papen herangetastet. Belials Logenbruder – so er es denn war – erwies sich als schlauer Fuchs. Er traf sich mit Hindenburg sowie mit einigen einflussreichen Männern aus Industrie und Militär. Dieser Papen führte irgendetwas im Schilde, etwas Großes – aber was?
    Wer sich mit überaus schwierigen Fragen beschäftigt, der muss fast zwangsläufig jede Ablenkung als unzumutbar empfinden. Ähnlich erging es David, als ihn Rebekka Ende September mit einem etwas ausgefallenen Wunsch konfrontierte. Nur mit Mühe gelang es ihm da, seine Gedanken neu zu ordnen und sich bewusst zu machen, wie wenig er sich zuletzt um sie gekümmert hatte. Es war einiges nachzuholen. Also willigte er in Rebekkas Bitte ein, auch wenn sie ihm anfangs ungewöhnlich vorkam.
    »Du willst in eine Synagoge gehen?«
    »Ich bin schließlich Jüdin. Warum betonst du das Wort, als spräche ich vom Ballhaus Femina?«
    In diesem Etablissement konnten einsame Damen einen Tanzpartner per Tischtelefon erwählen.
    »Aber du warst seit zwanzig Jahren nicht mehr in einem jüdischen Gotteshaus.«
    »Ich will ja auch in die Neue Synagoge, weil es dort am 29. September ein besonderes Jubiläumskonzert mit Namen Jadlowker gibt. Ester besorgt uns zwei Plätze.«
    »Du willst wohl sagen, Chaims Onkel, der Rabbi Louis, kümmert sich darum.«
    »Ich wollte dich nicht mit Nebensächlichkeiten langweilen.«
    »Danke. Und das Konzert, meinst du, langweilt mich nicht?«
    »Früher hast du dir alles angesehen oder angehört, was mir gefallen hat.«
    David seufzte. Da war meine Lebenslatte ja auch noch etwas länger. Und die Hoffnung größer. »Ich bin im Moment einfach etwas angespannt. Entschuldige bitte.«
    »Albert Einstein soll übrigens auf dem Synagogenkonzert Jadlowker Violine spielen.«
    David war wie elektrisiert. »Albert Einstein? Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    Rebekka schmunzelte. »Ich fürchtete, du könntest den künstlerischen Aspekt der Veranstaltung verkennen.«
    David sollte dann noch lange von den Eindrücken des Synagogenkonzerts Jadlowker zehren. Er hatte nach der Veranstaltung sogar einige Worte mit dem von ihm so verehrten Albert Einstein wechseln dürfen. »Alles ist relativ, mein Freund.« Mit dieser schlichten Weisheit hatte das Genie David in den Bann geschlagen. Ein beeindruckendes Erlebnis!
    Die Wirklichkeit holte David bald wieder ein. Er hatte eine Aufgabe. Für Schwärmereien blieb da wenig Zeit. Das Jahr neigte sich dem Ende zu. Während Reichskanzler Heinrich Brüning anhaltend glücklos mit den kollabierenden Staatsfinanzen kämpfte wie Don Quijote gegen die Windmühlenflügel, knüpfte David neue Kontakte zum Aufbau seines Netzes. In der britischen

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