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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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denken. Allein schon Rebekkas Anblick hatte einigen von ihnen jede Menschlichkeit aus dem Gesicht gefegt. David machte sich Sorgen, nicht nur um Rebekkas Sicherheit. Er spürte das Nahen eines verheerenden Sturms. Die Zeit wurde knapp.
    Immer mehr wuchs er nun in die Rolle eines Koordinators hinein. Zwar forschte er selbst weiter nach Hinweisen, bediente sich aber auch zunehmend der »Ressourcen« seiner Bruderschaft. Mithilfe von verschlüsselten Nachrichten steuerte er seinen »Agentenbaum«. Er hatte diese Metapher gewählt, weil sie besser als ein Netz die Struktur seiner geheimen Verbindung beschrieb: Er, David, war der Stamm, der alles trug und am Leben erhielt und von dem immer feinere Verästelungen ausgingen. Selten kannte einer seiner Gesinnungsgenossen mehr als die Identität seiner unmittelbaren Kontaktpersonen und wo immer möglich, vermied man selbst das. Dann wurden Anweisungen über »tote Briefkästen« weitergegeben – versteckt in Mauern, hinter lockeren Steinen oder in hohlen Bäumen. Alles war auf größtmögliche Verschwiegenheit ausgelegt, um die einzelnen Mitglieder der Bruderschaft zu schützen, und nur wenige standen mit David in ständigem Kontakt. Zu dieser handverlesenen Truppe gehörten Friedhelm Lauser, Sean Griffith, Professor Giovanni Leopardi, Edgar Jung, der allmählich das Vertrauen Papens gewann, und Lorenzo Di Marco, der David Anfang Juni mit einer aufregenden Nachricht überraschte.
    Der Brief begann mit einer Nebensächlichkeit, jedenfalls empfand es David so. Seine Heiligkeit Pius XI. sei ein wenig enttäuscht gewesen, berichtete der Benediktiner, weil der Lebensretter vom Petersplatz die Ewige Stadt so fluchtartig verlassen habe. Der Papst habe mit dem Gedanken gespielt David das Großkreuz des Piusordens an die Brust zu heften. Nun wolle er es ihm wenigstens nachschicken lassen, wisse aber nicht, wohin. Natürlich habe er, versicherte Lorenzo von sich, den derzeitigen Aufenthaltsort des tapferen Time-Reporters nicht verraten.
    David hatte die Tapferkeitsauszeichnung aus dem Großen Krieg nie öffentlich getragen und legte auch wenig Wert auf einen weiteren Orden. Daher lasen sich die nächsten Zeilen des auf verschlungenen Wegen nach Berlin gelangten Briefes für ihn auch schon wesentlich verheißungsvoller: Als Mussolini am 30. Mai die Laienbewegung Azione Cattolica auflösen ließ, reagierte Pius darauf anlässlich eines Empfangs ungewöhnlich scharf. Einen Tag später wurde der Regierung sogar eine offizielle Protestnote übergeben. Vielleicht hätten Davids offene Worte gegenüber dem Papst doch etwas bewirkt, schrieb Lorenzo. David fasste den Entschluss, auch in Deutschland Kontakt zu den Schaltstellen der Macht aufzunehmen und Belial möglicherweise dadurch das Wasser abzugraben. Gespannt wandte er sich wieder dem Brief aus Rom zu.
    Bei seiner Suche in den Vatikanischen Archiven sei er auf einen Text von Ibn Ruschd gestoßen, führte der Benediktiner weiter aus. Offenbar stamme die Handschrift aus der Bibliothek von Cordoba und sei später irgendwie in die Sammlung der Bibliotheca Palatina geraten. Das Dokument erwähne eine »Bruderschaft vom Ende des Sonnenkreises« und bestätige damit Dr. Fresenius’ Theorie, dass dieser Geheimbund und der Tod Alexanders des Großen zusammenhingen.
    Das Material der Stampati Palatini sei allerdings zu umfangreich, um es allein durchforsten zu können, schloss der Mönch, doch je näher er dem Geheimnis des Zirkels käme, desto gefährlicher sei es, wie bisher Bibliothekare oder andere Helfer in die Ermittlungsarbeit einzubeziehen. Angeblich habe sich kürzlich ein Jesuit bei verschiedenen Leuten im Vatikan nach seinem besonderen Interesse für die alten Handschriften erkundigt. Nein, betonte Lorenzo ausdrücklich, er könne nicht sagen, ob dieser Mönch derselbe sei, der David nachgestellt habe, aber nun müsse er vorsichtiger denn je agieren.
    David war wie elektrisiert. Er musste sofort eine Antwort nach Rom schicken: Lorenzo solle unbedingt diskret vorgehen, aber in seiner Suche nicht nachlassen. Gebe es denn in den alten Schriften irgendwelche Hinweise, wie die ominöse Bruderschaft zerschlagen werden könne, durch die Verwendung besonderer Ringe etwa oder mit Hilfe anderer, vielleicht gläserner Gegenstände, vergleichbar mit den besagten Tränen?
    Jasons Geschichte hatte durch Lorenzos Nachforschungen an Glaubhaftigkeit gewonnen. Der Kreis der Dämmerung besaß eine Schwachstelle und womöglich dauerte es nur noch wenige

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