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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Dank verpflichtet. Auf die fachkundige Hilfe der beiden Männer war er im Moment stark angewiesen. Sein Kampf gegen den unsichtbaren Gegner gestaltete sich nach wie vor schwierig. Er sah, wie ein Land mit demokratischer Verfassung aus den Fugen geriet, wie es zunehmend unter den Einfluss einzelner, teils sehr zwielichtiger Personen kam, was Lord Belial mit klammheimlicher Freude erfüllen musste. Ohnmächtig beobachtete er die im neuen Jahr immer heftiger werdenden Zusammenstöße zwischen SA-Schlägern und Mitgliedern des Rotfrontkämpferbundes.
    Immerhin freute er sich, mit welcher Inbrunst Rebekka wieder an seinem Kampf teilnahm. Die Wochen relativer Ruhe am Richardplatz und die Arbeit mit den Kindern wirkten sich positiv auf ihren Gemütszustand aus. Mia Kramer war inzwischen zu ihrer besten Freundin geworden, wenngleich Benjamin Blumenthal auch ein großes Areal ihres Herzens für sich beanspruchte. Rebekkas neue Ausgeglichenheit war für David eine große Stütze.
    Anfang März 1931 erlebte das Paar eine Überraschung der besonderen Art. Sie hatten Sean und Sabrina Griffith zu sich zum Kaffee eingeladen, weil sie am Abend gemeinsam das neue Programm im Varieté Wintergarten ansehen wollten. Der Botschaftsmitarbeiter brachte die aktuelle Ausgabe der Londoner Times mit. Auf dem Titelblatt war ein in Delhi aufgenommenes Foto abgedruckt. Es zeigte den indischen Vizekönig Edward Wood Lord Irwin an einem Tisch mit Gandhi, dem inzwischen unbestrittenen Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. In dem Artikel ging es um einen Pakt zwischen den beiden Männern, der die Spannungen zwischen der britischen Regierung und der indischen Kongresspartei entschärfen sollte.
    Während David den Bericht las, wanderten seine Augen immer wieder zu der Fotografie. Irgendetwas an dem Bild ließ ihn nicht los. Unter den skeptischen Blicken von Rebekka, Sean und Sabrina hielt er sich die Zeitung ganz dicht vor die Nase und nahm sich jedes einzelne Gesicht auf dem Foto vor. An einem u-förmigen Tisch saßen in der Mitte Lord Irwin und der Mahatma, neben ihnen weitere Verhandlungsteilnehmer, davor die Protokollführer und dahinter…
    »Bist du neuerdings kurzsichtig, Liebster?«, fragte Rebekka amüsiert.
    »Ich fass es nicht!«, tönte es hinter der Zeitung hervor.
    Sean schob seine Brille zurecht. »Meinst du die Art und Weise, wie dieser kleine Inder mit den mächtigen…«
    »Aber nein!«, fiel ihm David ins Wort. Endlich ließ er die Zeitung auf den Tisch sinken und präsentierte ein über die Maßen erstauntes Gesicht. Darauf sagte er ein einziges Wort, das die Hälfte der Anwesenden für einen Versprecher halten musste: »Dreibein!«
    Rebekka sprang mit einem Satz vom Stuhl auf, um sich neben David über die Zeitung zu beugen. »Tatsächlich!«, quietschte sie vergnügt. »Da steht Balu, wie er leibt und lebt.«
    Sean und Sabrina tauschten ratlose Blicke, was David zum Anlass nahm, ihnen von Batuswami Bhavabhuti, seinem getreuen Leibwächter aus den Londoner Kriegsjahren, zu berichten.
    »Anscheinend passt er jetzt auf die ›große Seele‹ auf«, sagte David in Anspielung auf Gandhis Beinamen.
    »Können wir Balu nicht einen Brief schicken?«, fragte Rebekka.
    »Genau daran habe ich auch gerade gedacht.«
    »Ich könnte das für euch arrangieren«, schlug Sean vor. »Das Büro des Vizekönigs steht vermutlich ohnehin in ständigem Kontakt mit Gandhi.«
    David strahlte den Iren glücklich an. Ein Briefwechsel bedeutete für ihn mehr als nur das Auffrischen einer alten Freundschaft. Der Kreis der Dämmerung hatte zweifellos auch in Indien seine willfährigen Helfer, David dagegen noch keinen einzigen – bis auf Balu. Der alte Freund konnte wichtige Vorarbeit leisten, um dieses Ungleichgewicht eines Tages zu beseitigen. Vielleicht würde er ja sogar Gandhis Unterstützung gewinnen…
    »Weißt du, Sean«, sagte David hoffnungsvoll, »wenn du das für mich tust, wirst du vielleicht irgendwann noch einmal in die Geschichte eingehen.«
    Der Attaché verzog keine Miene, als er antwortete: »Fragt sich nur, ob als Held oder als Verräter.«

 
    Jasons Träne
     
     
     
    Das noch junge Jahr 1931 war gekennzeichnet durch brutale Ausschreitungen von NSDAP-Aktivisten. Zeitweise herrschten auf der Straße sogar bürgerkriegsähnliche Zustände. Politische Attentate, teils mit unverhohlen antijüdischer Tendenz, dominierten immer häufiger die Schlagzeilen. David musste in diesen Tagen oft an die braunen Marschierer aus Heidelberg

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