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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Butterbrotpapier, und als David geendet hatte, sagte er nur: »Ich werde mich umgehend darum kümmern. Bitte entschuldigen Sie mich für einen Augenblick.« Ohne weitere Erklärungen flüchtete Horthy aus dem Raum.
    Eine Zeit lang blickte David verwundert auf die Tür, durch die Laszlo Horthy entschwunden war. Warum dieser überstürzte Abgang? Die Prostata machte ja so manchem Mann zu schaffen, wenn er die vierzig überschritten hatte, aber bei dem immerhin schon dreiundfünfzigjährigen Wissenschaftler war David Derartiges bisher nicht aufgefallen.
    Langsam schritt er den langen Tisch der Bibliothek ab, den Blick nachdenklich auf den Fettfleck gerichtet. Seltsam. Horthy war an diesem Tag wie verwandelt: Belegte Brote aß er sonst nur zum Frühstück – von neun bis neun Uhr fünfzehn –, seinen Platz hinterließ er stets mustergültig sauber und Notizen machte er sich beim Essen auch keine…
    Der Bleistift! Nur ganz kurz hatte David ihn in Horthys Hand gesehen, was wohl ohnehin nichts besagte, denn es fehlte ja das Schreibpapier…
    Davids Augen lagen auf dem Fettfleck. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft: Butterbrote wickelte man doch gerade in pergamentartiges Papier ein, damit das Fett dort blieb, wo es hingehörte! Wenn der Tisch trotzdem glänzte wie eine Speckschwarte, konnte das nur bedeuten…
    »Er hat es umgedreht, einfach umgedreht«, flüsterte David, machte eine Pause, um dann hinzuzufügen: »Weil er etwas Wichtiges notieren wollte!« Ja, so musste es gewesen sein. Nur große Eile, womöglich die Befürchtung entdeckt zu werden, konnte einen peniblen Mann wie Laszlo Horthy zu einem solchen Verhalten verleiten. Er hatte das Butterbrotpapier umgedreht, um die fettfreie Seite für Notizen verwenden zu können. Aber warum!
    Davids Augen richteten sich auf die Regalwand. Als er den Raum betreten hatte, war Horthys Blick für einen Moment dort hinübergewandert. Langsam ging David auf die Bücherwand zu, versuchte ungefähr die Stelle auszumachen, die der Wissenschaftler fixiert hatte – als wolle er sich von der Sicherheit eines Verstecks überzeugen.
    Horthy hatte nach oben geblickt. David zog sich die Rollleiter heran. Er kletterte erst eine, dann noch eine Sprosse empor. Mit zusammengekniffenen Augen nahm er den Regalinhalt unter die Lupe. Da gab es dicke Folianten, dünne Kladden, schmale Kartons für Loseblattsammlungen – alle fein säuberlich auf Kante eingereiht…
    Bis auf zwei Bücher. Es handelte sich um ein doppelbändiges Nachschlagewerk über assyrische Altertümer, das ein wenig aus dem Spalier der anderen Buchrücken herausragte. David kletterte noch eine Sprosse höher, um in den Schatten hinter die Bücher blicken zu können. Er entdeckte jedoch nichts. Nach kurzem Zögern zog er die Bücher heraus. Und jetzt sah er es.
    An der Wand, mit dem Buchrücken nach unten, lehnte ein kleiner Lederband, eine Art Diarium, ähnlich jenem, das er von seinem Vater geerbt hatte, nur nicht so groß. David nahm es aus dem Versteck und klappte den Deckel auf.
     
    PERSÖNLICHE BEOBACHTUNGEN UND
    EINDRÜCKE BEI DEN AUSGRABUNGEN
    RUND UM E-TEMEN-AN-KI
     
    Das Büchlein enthielt Notizen und Skizzen, teilweise mit Datum versehen. Die letzten Eintragungen stammten aus der Zeit des Großen Krieges, alle in lateinischen Buchstaben mehr gezeichnet als geschrieben. So wie es vielleicht ein Architekt machen würde. Die Schrift kam David bekannt vor und seine Ahnung wurde bestätigt, als er die Skizzen genauer betrachtete. Alle waren rechts unten mit einer Jahreszahl und den ineinander verschränkten Buchstaben A und W versehen. Walter Andrae wäre von dem Notizbuch wahrscheinlich freudig überrascht gewesen.
    Aber was konnte die ungarische Spürnase darin entdeckt haben, dass sie sich zu einem derart ungewöhnlichen Verhalten hinreißen ließ? David blickte von der Leiter zu dem Fettfleck. Mit einem Mal hatte er eine Idee.
    Schnell schob er die beiden Fachbücher ins Regal zurück, kletterte von der Rollleiter und schob sie wieder auf ihre ursprüngliche Position. Das Büchlein ließ er in der Außentasche seines Jacketts verschwinden. Dann stellte er sich ans Kopfende des Tisches und betrachtete konzentriert den Fettfleck. Schon nach wenigen Augenblicken begann dieser sich zu verändern. Erst entstand eine weiße Fläche auf der Tischplatte, aber als David Stellen mit dichterem und solche mit dünnerem Fettauftrag unterscheiden konnte, nahm er noch einmal eine Modifizierung vor. Plötzlich stand eine

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