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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schönheit.
    Ende Februar – Laszlo Horthy hatte sich noch immer nicht verraten – traf ein weiterer bedeutsamer Brief ein. Benni war an diesem Samstag wieder einmal bei Rebekka, um sich ausgiebig ihrem Grießpudding zu widmen, den sie für ihn mit Karamellsplittern und eingeweckten Kirschen zu »verzaubern« pflegte. Während der Kleine den Pudding löffelte, beobachtete er mit ernstem Gesicht das Mienenspiel Davids beim Lesen des Briefes. Der hatte einen weiten Weg hinter sich: von dem Meeresforscher Dr. Hirotaro Hattori über Blair Castle und Seans Schreibtisch bis zum Neuköllner Richardplatz Nummer 4. Das Schreiben stammte von Kaiser Hirohito.
    Mit bebender Stimme übersetzte David die Worte seines alten Freundes für Rebekka. Die Kaiserin habe im vergangenen Jahr erneut entbunden. Wieder ein Mädchen! Hito äußerte sich besorgt über den wachsenden Unmut seines Volkes, das nach einem Thronfolger verlangte. Stimmen seien laut geworden, er solle seine Frau verstoßen. Aber was waren schon diese persönlichen Unbilden im Vergleich zu dem, was sein Land durchmachte? Hirohitos Worte spiegelten tiefe Sorge wider.
     
    … Wie du wohl aus der Presse erfahren hast, sind unsere Truppen nach der Besetzung der Mandschurei am 31. Januar 1932 in Shanghai einmarschiert. Ich habe den Forderungen der Militärs nachgegeben, David-kun, aber ich zweifle immer mehr an der Richtigkeit ihres Vorgehens. Erst später erfuhr ich, dass sie mich über wichtige Details der Aktion im Ungewissen gelassen haben. Meine Ratgeber behaupten, all das diene nur dem Ruhme Nippons. Aber tut es das wirklich? Warum können wir mit unseren Nachbarn nicht in Frieden leben?…
     
    »Es geht ihm gut«, sagte Rebekka, nachdem David den ganzen Brief vorgelesen und betrübt die Hände hatte sinken lassen.
    »Ja, aber nur seinem Körper. Sein Geist leidet unter der Situation in seinem Land. Ich glaube, er weiß ganz genau, dass die nationalistischen Militärs ihn als Alibi für ihre Schandtaten benutzen. Ich wünschte nur, er würde endlich den Mut finden und tun, was ich ihm einmal geraten habe.«
    »Und das wäre?«
    »Entweder mit der Macht des Tennos zu sprechen und echte Reformen zu verlangen oder der eigenen Göttlichkeit zu entsagen.«
    »Du meinst, man kann das Volk nicht mehr bedingungslos auf den kodo, den › kaiserlichen Weg‹, einschwören, wenn der Tenno selbst ein ganz normaler Mensch ist?«
    David blickte traurig auf das puddingverkleisterte Gesicht Bennis und nickte. »Einem Gott zu widersprechen ist ein Todsünde gegen den Himmel, sich einem Menschen zu widersetzen nur ein Autoritätsproblem.«
    Rebekka wollte ihren Mann aufheitern, deshalb wechselte sie abrupt das Thema.
    »Wann gehen wir eigentlich mal wieder aus?«
    David zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.«
    »Ich könnte von Sabrina Karten für das Theater am Schiffbauerdamm bekommen.«
    »Bertolt Brecht? Ich weiß nicht…«
    »Das sagtest du schon. Die Dreigroschenoper ist erstklassig besetzt: Harald Paulsen, Rosa Valetti, Erich Ponto, Lotte Lenya…«
    »Wenn es dir Freude macht, dann können wir ja hingehen.«
    »Ich möchte, dass es dich ein wenig auf andere Gedanken bringt, Liebster. Du grübelst mir in letzter Zeit zu viel.«
    »Ich habe auch allen Grund dazu.«
    »Also, was ist nun? Soll ich Sabrina nach den Karten fragen oder nicht?«
    David zog Rebekka zu sich heran und küsste sie auf ihre dichten schwarzen Augenbrauen – erst auf die eine, dann auf die andere. (Benni tastete unwillkürlich nach den eigenen.) »Wenn du glücklich bist, dann bin ich es auch. Ruf bei Sabrina an, am besten gleich, damit sie die Karten nicht jemand anderem gibt.«
    Bereits einige Tage vor dem Eintreffen von Hitos Brief war über Edgar Jung eine wichtige Information gekommen, die – zumindest teilweise – zu Davids Niedergeschlagenheit beigetragen hatte. Edgar brachte einen neuen Namen ins Spiel: Generalmajor Kurt von Schleicher. Er sei ein begabter, skrupelloser Intrigant, der im Großen Krieg der Obersten Heeresleitung angehört habe, 1926 Leiter der Abteilung Wehrmacht beim Reichswehrministerium und wenig später sogar Chef des Ministeramtes im selben Ressort geworden sei. In Davids Schattenarchiv gab es bereits ein Dossier über Schleicher. Der General war ihm aufgefallen, als er im Jahre 1930 den Sturz des sozialdemokratischen Reichskanzlers Hermann Müller betrieben und dadurch dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning den Weg geebnet hatte.
    Edgar meinte, Schleicher habe sich

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