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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Friedrich gesagt, wie wichtig dieses Artefakt für unser Museum ist, und er hat sein ganzes Gewicht als Museumsdirektor in die Waagschale geworfen, um der Polizei Beine zu machen. Vielleicht finden wir den Dieb ja doch noch.«
    »Was heißt ›finden‹? Laszlo Horthy arbeitet nach wie vor im Museum, Die Polizei braucht nur hinzugehen und ihn zu verhaften.«
    »Ohne konkrete Beweise, David?«
    Horthy war nach dem unvorschriftsmäßigen Offnen der Kisten im Museumslager zwar verwarnt worden, aber man hatte ihm kein Vergehen nachweisen können, das einen Rauswurf gerechtfertigt hätte. Sogar das vermisste Notizbüchlein fand sich auf wundersame Weise (und auf Horthys entschiedene Forderung hin) nach einer gründlichen Durchsuchung der Bibliothek wieder, Walter Andrae wusste, wie sehr das alles David wurmte, Laszlo Horthy besaß einen makellosen Ruf, den er sich während der Ausgrabungen in Babylon und zuletzt bei der Rekonstruktion des Ischtar-Tores erworben hatte und der, wie Friedrich Delitzsch, der Museumsdirektor, es ausdrückte, »über so manche Macke hinwegsehen« ließ.
    Langsam gewann David seine Fassung zurück. Zwischen zusammengepressten Zähnen brachte er schließlich hervor: »Wenn die Polizei diesen ungarischen Riesenschnauzer nicht an die Leine legt, dann werde ich es eben tun.«
     
     
    Bei aller Entschlossenheit, Laszlo Horthy als Museumsdieb zu überführen, wollte David doch den Blick für die großen Zusammenhänge nicht verlieren. Natürlich mochten den Altertumsforscher persönliche Motive zu seiner Tat veranlasst haben. Während seiner Karriere hatte er stets im Schatten größerer Männer gestanden: Robert Koldewey, Walter Andrae waren da zu nennen oder auch Miklos, Laszlos eigener Bruder, der, wie David erst spät erfuhr, kein Geringerer als Ungarns Reichsverweser war. Krankhaftes Verlangen nach Ansehen, Macht und Reichtum hatten schon manchen unbescholtenen Menschen verdorben. Warum nicht auch einen Wissenschaftler wie Laszlo Horthy?
    Als David sich die Frage stellte, wem das Verschwinden von Jasons Träne nützlich sein konnte, gewann der Museumsdiebstahl jedoch eine ganz andere Dimension. Natürlich würde er versuchen, den Diebstahl aufzudecken und die Kugel wieder zu finden, aber mindestens ebenso wichtig war es, die möglichen Drahtzieher im Hintergrund auszumachen. Und bei diesem Gedanken tauchte ein bestimmter Name vor Davids geistigem Auge auf.
    Franz von Papen, der Protege des greisen Reichspräsidenten, wurde in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, aber Eingeweihte wie Edgar Jung bezeichneten den unscheinbaren Abgeordneten als einen Ränkeschmied par excellence – die typische Rolle, die nach Meinung Davids ein Mitglied des Kreises der Dämmerung zu spielen hatte. Ein derart gekonntes Intrigenspiel war schwer zu durchschauen. Wenn daher wieder eine neue Katastrophenmeldung durch den Blätterwald rauschte, ließ sich nie eindeutig sagen, ob die Logenbrüder Belials dahinter steckten. So erging es David auch am 10. Oktober, als Paul von Hindenburg den Reichskanzler und dessen Minister endgültig an die Kandare nahm. Das von Brüning zusammengestellte »Fachkabinett« war zum Befehlsempfänger des greisen Präsidenten geworden, die Weimarer Republik faktisch zu einer Diktatur.
    Wie im November 1931 das Maastal, das belgische Industriezentrum, in einem tödlichen Nebel versank, schien auch über Deutschland das Verderben hereingebrochen. In Belgien waren es Schwefelhydride und andere Emissionen, die Menschenleben forderten. Die Katastrophe kam David wie das Symbol einer wesentlich verheerenderen Vergiftung vor, einer Vergiftung, die von dem Denken der Menschen Besitz ergriff. Wie sonst war es zu erklären, dass die Nationalsozialisten immer größeren Zulauf bekamen?
    Straßenkämpfer, gleich welcher Couleur, ließen sich besonders leicht aus dem Heer der Arbeitslosen rekrutieren, das bis Mitte Dezember auf über fünf Komma drei Millionen anstieg. Vor diesem Hintergrund rüsteten die radikalen Kräfte von links zum offenen Kampf Reichskanzler Heinrich Brüning dachte sich währenddessen immer raffiniertere Methoden zur Sanierung der Staatsfinanzen aus. Zur Förderung der »Pfennigrechnung« ließ er Vierpfennigstücke prägen. Der gebürtige Münsteraner wäre wohl besser zu den pfiffigen Berlinern in die Schule gegangen – die bezeichneten ihre Fünfpfennigmünzen schon seit jeher als »Sechser«.
    Im Berliner Stadtzentrum, wo mit Fäusten und Knüppeln hitzig diskutiert wurde,

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