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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Umschlag in die Brusttasche seiner Jacke, schüttelte dem hohen Beamten die Hand und begab sich zum Gartentor.
    David konnte sich lebhaft vorstellen, wie Schleicher als Nächstes zum Telefon laufen und seinen Hintermann anrufen würde. Was sollte er nur tun, um das zu verhindern? Sollte er ins Haus stürzen, seine japanischen Kampfkünste einsetzen und die Kugel entführen? Nein, damit würde er sich jemanden zum Feind machen, den er vielleicht noch brauchen oder gewinnen konnte. Er hatte eine andere Idee.
    Der junge Horthy schlenderte schon in Richtung Stadtbahn davon. Lässig warf er ein braunes Papierknäuel in den Rinnstein. Dann zog er eine Zigarette aus der Tasche und begann demonstrativ zu paffen.
    »Hört zu«, sagte David zu den anderen. Sie steckten die Köpfe zusammen. Wie ein Feldmarschall erteilte er kurze Befehle. Sein Plan war verwegen, aber vielleicht würde er gerade deshalb funktionieren.
    David lief dem Jungen hinterher. Rebekka eilte in Richtung Postamt davon. Richard wartete noch. Sein Auftritt war erst in etwa fünfzehn Minuten.
    Vor einem Haus, das bis an die Straße heranreichte, blieb David kurz stehen und betrachtete sein Spiegelbild in einer Fensterscheibe. Es war zwar nicht anzunehmen, dass Gyula Horthy wusste, wie er aussah, aber eine kleine Tarnung konnte nicht schaden. Nur einen Herzschlag lang musste sich David konzentrieren, dann hatte er leuchtend rotes Haar.
    »He, du da!«, rief er dem höchstens noch zehn Schritte vor ihm gehenden Gyula zu.
    Der Junge drehte sich um, bekam einen Schreck und wollte loslaufen. Doch während Gyulas Füße in zähem Schlamm zu stecken schienen und er deswegen nur langsam vorankam, holte der rothaarige Verfolger wie ein Blitz auf – so jedenfalls erschien es Horthys Sohn.
    »Hat dir noch niemand gesagt, dass Minderjährige nicht rauchen dürfen – und in der Öffentlichkeit schon zweimal nicht?«, fragte David, als er den verschüchterten Jungraucher eingeholt hatte.
    »Äh, nein«, log Gyula. Er blickte verlegen zu Boden, sein Gesicht verschwand hinter einem Vorhang langer Haare.
    »Man kann leicht zum Bettnässer werden, wenn man zu früh mit dem Rauchen anfängt«, sagte David mit großem Ernst.
    Der Junge blickte erschrocken auf. Dabei rutschte ihm die Zigarette aus den Fingern und ehe er sich’s versah, hatte David das Objekt der Begierde zertreten.
    »Sind Sie jetzt zufrieden?«, fragte Gyula trotzig.
    »Nein.«
    »Was wollen Sie denn noch?«
    »Ich muss dich durchsuchen.«
    Der Junge sah den hoch gewachsenen Fremden erschrocken an und wurde steif wie ein Brett.
    David tastete den Körper seines Opfers ab, als suche er nach Waffen. Das Ganze war nur Theater, um den Jungen einzuschüchtern. Wenn alles glatt ging, dann brauchte er nicht einmal den Inhalt des Briefumschlags zu inspizieren, den er in Gyulas Brusttasche fühlte. Fast beiläufig sagte David während der Leibesvisitation: »Wir führen nämlich eine Ermittlung in Sachen Kurt von Schleicher durch. Streng geheim! Haben Grund zu der Annahme, dass jemand einen Anschlag auf Herrn von Schleicher plant.«
    »Ich war’s nicht!«, schrie Gyula entsetzt.
    »Nun beruhige dich, Junge. Noch lebt Herr von Schleicher ja. Aber wir müssen jedem Verdacht nachgehen. Die Schleicher-Villa wird von uns rund um die Uhr bewacht. Was hast du bei dem General gewollt?«
    »Ich… Ich bin nur ein Bote. Ich habe ihm etwas gebracht.«
    »Etwa eine Bombe?«
    »Nur einen Briefbeschwerer.«
    David grinste. Ganz schön schlagfertig, das Bürschchen. »Du willst mir doch nicht etwa weismachen, dass du beinahe noch zu nachtschlafender Zeit durch halb Berlin bis nach Potsdam fährst, um einen simplen Briefbeschwerer abzuliefern.«
    »Äh, das ist ein echt antikes Stück«, presste der verängstigte Gyula hervor. »Sehr kostbar! Herr von Schleicher sammelt Antiquitäten.«
    David hatte genug gehört. Nun musste er nur noch etwas für seine Tarnung tun. »Dann wolltest du ihn also nicht ermorden?«
    »Nein. Bestimmt nicht. Ich schwöre es. Sie können mir glauben, dass…«
    »Schon gut«, unterbrach David den zitternden Jungen und beugte sich zu dessen bleichem Gesicht herab, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten. »Ich glaube dir. Nicht, weil du besonders vertrauenswürdig wirkst, sondern weil wir dich schon eine ganze Weile beobachten.«
    Gyula hielt die Luft an.
    »Weiß dein Vater eigentlich, dass du ständig mit Mädchen herumknutschst?«
    Die Augen des Jungen wurden noch ein Stückchen größer.

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