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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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feiner roter Aderchen. »Wer sind Sie? Und vor allem: Was tun Sie hier?«
    »Det darf ick Ihnen eijentlich nicht sagen.«
    »Sie beobachten mich.«
    »Det is’ richtich.«
    »Und warum, wenn ich fragen darf?«
    »Nur ssu Ihrer eijenen Sicherheit. Wir kontrollieren allet, wat bei Ihnen rein- und rausjeht, damit Ihnen nischt passiert.«
    Einen Moment lang war Schleicher erstarrt. Vermutlich erinnerte er sich an den »Briefbeschwerer«, der ihm gerade geliefert worden war. Ziemlich leise fragte er dann: »Alles?«
    »Allet«, bestätigte Richard mit entschiedenem Nicken.
    Schleicher schluckte. »Warum sind Sie so um meine Sicherheit besorgt?«
    »Wäre möchlich, dass Sie wer umbringen will.«
    »Wer?«
    »Ja.«
    »Ich meine, wie heißt dieser potenzielle Attentäter?«
    »Ach so. Mir dürfen Se da nich fragen. Könnte unsere Ermittlungen stören, wenn die Verdachtsperson davon Wind bekommt. Se wissen schon: Nur wenn wa ihn auf frischer Tat ertappen, können wa dem Papen nachweisen… Au Backe! Jetzt hab ick mir verplappert!«
    Kurt von Schleicher sei mit einem Mal ziemlich blass geworden, erzählte Richard später. Er habe sich bei ihm für den Schutz bedankt und sei kopfschüttelnd zum Haus zurückgelaufen.
    »Das habt ihr gut gemacht, danke«, sagte David zu Rebekka und Richard. »Wenn er uns dieses Theaterspiel abgenommen hat, wird er es sich dreimal überlegen, ob er die Glaskugel an Papen weitergibt. Immerhin könnte sie seine Lebensversicherung sein.«
    »Versteh ick nich«, brummte Richard.
    »Ist doch ganz einfach«, erklärte David. »Ich vermute, Papen hat Schleicher auf sehr nachdrückliche Weise wissen lassen, wie viel ihm an dem ›Briefbeschwerer‹ liegt. Solange Schleicher seinen Auftraggeber in der Annahme belässt, er könne ihm die begehrte Ware liefern, kann er sich vor gedungenen Meuchlern sicher fühlen.«
     
     
    Das Interview fand im Restaurant des Hotels Adlon statt. Es war der 27. April, ein Mittwoch. Durch das Fenster konnte man die Automobile sehen, die sich durch das Brandenburger Tor zwängten.
    Kurt von Schleicher machte einen nervösen Eindruck. Seine Antworten waren knapp, aber nicht immer präzise – eben wie zu erwarten, wenn ein General ins politische Fach wechselte. Oder lag es an der gewagten Frage, mit der David ihm zwei Wochen nach Zustellung der Glaskugel doch noch dieses Gespräch abgetrotzt hatte? »Welcher Art sind eigentlich die Kontakte, die Sie zu dem Zentrumspolitiker Franz von Papen unterhalten?« Jedenfalls hatte Schleicher später sogar persönlich zurückgerufen und den Termin bestätigt.
    Geschickt lenkte David das Gespräch in die gewünschte Bahn. Erst kitzelte er aus dem hohen Beamten des Reichswehrministeriums das Eingeständnis heraus, mit den Nationalsozialisten in Verbindung zu stehen und dann lockte er ihn in eine Falle.
    »Ist das nicht ein gefährlicher Drahtseilakt? Oder können Sie sich Adolf Hitler als neuen Reichskanzler vorstellen?«
    »Gott bewahre! Nein! Wir brauchen die Nationalsozialisten, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, aber ich werde dafür sorgen, dass ein anderer vor Hitler auf dem Stuhl des Reichskanzlers Platz nimmt.«
    »Meinen Sie wirklich, Franz von Papen sei der richtige Mann dafür?«
    »Ich halte ihn…« Schleicher stockte. Seine Augen wurden groß. Man hatte ihn auf dünnes Eis gelockt und jetzt war er eingebrochen. Verärgert fragte er: »Würden Sie mir endlich verraten, von wem Sie diese Papen-Geschichte haben?«
    David ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. Mit unschuldigem Lächeln erwiderte er: »Ich recherchiere immer sehr gründlich, bevor ich die kostbare Zeit eines wichtigen Mannes in Anspruch nehme, Herr von Schleicher. In Ihrem Fall war ich besonders gewissenhaft. Soweit ich weiß, ist Papen für die meisten ein unbeschriebenes Blatt. Warum wollen Sie gerade ihn auf den Thron heben?«
    Schleicher konnte dem Druck nicht länger widerstehen, er musste mit den Tatsachen herausrücken. Doch der Begabung des Wahrheitsfinders haftete auch ein Manko an: David bekam jeweils das zu hören, was der andere für die Wahrheit oder das einzig Richtige hielt. Im Wesentlichen kannte er schon die »Vorzüge« des »Kameraden« Franz von Papen, die Schleicher ihm nun aufzählte. Ihm wurde klar, dass in Wirklichkeit Papen es war, der die Fäden zog, und nicht die angebliche graue Eminenz. Ja, es schien sogar, als fürchte Schleicher seinen Günstling. Dies mochte mit dem Mummenschanz zusammenhängen, den David, Rebekka und

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